Die ganze Welt inStereobildern91Die aufstrebende Amateurfotografenbewegung leitet eine zweite Konjunkturphase der Stereoskopie ein. Neue Stereokameras kommen aufden Markt. 1893 meldet Jules Richard ein Patent für die StereokameraVerascopean, die sich an dem älteren KameramodellJumelleorientiert. DiePhoto-Jumelleweist zwei nebeneinanderliegende Objektive auf und wirddeshalb in zeitgenössischen Journalen mit der Bezeichnung„photographische Operngläser“versehen. Sie ist aber keine stereoskopische Kamera,denn eines der Objektive dient als Sucher, das andere zum Belichten.Bautechnisch bietet sie mit ihren zwei Objektiven jedoch eine gute Basisfür eine Stereoskopkamera, weshalb sie von Jules Richard und anderenPariser Kameraherstellern Anfang der 1890er-Jahre zu einer solchenumgearbeitet wird. DemVerascopefolgt dasGlyphoskope,das den Vorteilhat, Aufnahme- und Betrachtungsgerät in einem zu sein. In Wien bietet dieFirmaLechneralsbald Stereoskopkameras aus eigener Produktion an.Die Stereoskopie wird indessen nicht nur in privaten, sondern auch inwissenschaftlichen Kreisen geschätzt. Theodor Dokulil von der k. k. technischen Hochschule verwendet das Stereoskop im Unterricht als Anschauungshilfe,„denn ein richtig angefertigtes Stereoskopbild bringt in den Augendes Beschauers dieselben Eindrücke hervor, wie sie bei der Betrachtungdes wirklichen Objektes entstehen“.Auch der Wiener Mechaniker HermannDümler ist im Auftrag der Wissenschaft mit seiner Stereokamera tätig. Imk. k. Naturhistorischen Hofmuseumfertigt er stereoskopische Aufnahmenausgestopfter Tiere an. Diese systematische Sammlung von wissenschaftlichen Stereogrammen soll als Material für Unterrichtszwecke dienen.Gemeinsam mit Anton Elschnig, einem Professor für Augenheilkunde,entwickelt Dümler überdies eine spezielle Stereokamera für Nahaufnahmen, wie sie in der Wissenschaft benötigt werden. Elschnig verwendet den„Spezialapparat“in eigener Sache und stellt damit stereoskopische Bildervon Augen und Augendurchschnitten in natürlicher Größe her.47GRAPHOSCOPE, 1873