120 patrone von Leitz, die noch in der Dunkelkammer mit Film gefüllt werden muss, bringt Kodak für die Retinas eine Einwegvariante auf den Markt, die schon in gefülltem Zustand gekauft werden kann und beim Entwickeln des Films weggeworfen wird. Die Retina besitzt ein ausklappbares Objektiv, das im geschlossenen Zustand der Kamera durch den Deckel vollkommen geschützt wird. Ein Wechseln des Objektivs ist bei diesen vergleichsweise billigen Kameratypen nicht möglich. Im Zweiten Weltkrieg erhält die Fotografie neuerlich große Bedeutung für die Kriegspropaganda. Unter der Aufsicht des Propagandaministers Joseph Goebbels entstehen im Dritten Reich die sogenannten Propa­ganda-Kompanien. Ihnen gehören in Uniformen gesteckte Zeitungs- und Rundfunkjournalisten sowie Kameraleute und Fotografen an, die für die Kriegsberichterstattung zuständig sind. Die Fotografen verwenden mo­derne Leicas und haben den Auftrag, in ihren Aufnahmen ein heroisches Bild des Krieges zu zeigen, um die Bevölkerung bei den Fahnen zu halten. Goebbels legt fest, () daß sowohl die Härte, die Größe und das Opfer­volle des Krieges gezeigt werden soll, daß aber eine übertrieben realistische Darstellung, die statt dessen nur das Grauen vor dem Kriege fördern könne, auf jeden Fall zu unterbleiben habe. Er verlangt von den Fotografen, das blutige Antlitz des Krieges zu meiden, denn zu viel Realismus erzeuge in der Bevölkerung Kriegsmüdigkeit, dessen ist er sich bewusst. Das bedeu­tet, dass keine gefallenen Deutschen gezeigt werden dürfen, und natürlich auch keine Bilder vom Morden deutscher Soldaten. Die Kriegsgegner vor allem jene slawischer Herkunft sollen hingegen als möglichst bösartig und minderwertig dargestellt werden. Das Fotografieren ist allerdings auch bei den deutschen Soldaten selbst überaus beliebt. Viele von ihnen sind passionierte Amateurfotografen und der Krieg erscheint ihnen als das große Abenteuer ihres jungen Lebens, das sie in Erinnerungsbildern bewahren wollen. An allen Kriegsschauplät­zen, an die sie gelangen, machen sie private Aufnahmen, die sie in Alben sammeln. Manchmal sind es Aufnahmen von Landschaft und Leuten, oft vom gemütlichen Lagerleben hinter der Front, Bilder von den Kameraden und den Lebensumständen. Manchmal sind es aber auch Bilder von Gräueltaten, etwa von der Ermordung von Kriegsgefangenen, angeblichen Par­tisanen und Juden. Auf manche der Filmamateure übt die Brutalität so viel Faszination aus, dass sich die Militärführung gezwungen sieht, im Hinblick auf Exekutionen explizite Fotografierverbote zu erlassen, um zu verhindern, dass fotografische Beweisstücke für die deutschen Kriegsverbrechen in die falschen Hände gelangen.