48es neuerlich die Bielefelder Spielkarten GmbH, die nach mehr Wettbewerbim Spiel suchte. Sie legte„PS ist Trumpf“ auf, in dem die Quartette strengnach Leistung, also der Zahl der Pferdestärken, sortiert waren(von Serie 1,„60 PS“, bis Serie 8,„390 PS“). Auf der Rückseite fanden sich Erklärungenzu den herkömmlichen Spielregeln(Vierersets sammeln und ablegen) –allerdings mit einem interessanten nachgereichten Satz:„ErfindungsreicheSpieler können mit den hier vorliegenden Karten aus der Kombination der32 verschiedenen PS-Zahlen und der 8 Quartettfarben noch wesentlich interessantere Regeln selbst entwickeln.“ Offenkundig taten sie das auch.Ein neues BildungsidealDie verschiedenen Varianten der Spielregeln waren nur ein Wetterleuchtenfür die Veränderungen ab 1970. Die Vorgabe, Quartette zu sammeln völligignorierend, hatte irgendjemand irgendwo irgendwann damit begonnen,die 1952 eingeführte Angabe von vergleichbaren Daten auf den Kartenzum Spielprinzip zu erklären – jene eingangs beschriebenen Spielregelneben. Wahrscheinlich stand überhaupt keine bewusste Entscheidungdahinter. Sie lagen einfach auf der Hand oder in der Luft. Jedenfalls ist esnicht unwahrscheinlich, dass sie gewissermaßen„von unten“ eingeführtwurden – dass also nicht die Verlage neue Spielregeln entwickelt haben,sondern die Spieler selbst aufgrund dessen, was ihnen die Verlage angeboten haben. So wurden nun nicht mehr einfach„Erbsen gezählt“; jetztging es um etwas: um größer, schneller, stärker eben. Das Quartettspiel istein bemerkenswertes Beispiel für einen eigentlich grundlegenden Paradigmenwechsel – für die Abkehr von einem edukativen Prinzip im Spiel unter gleichzeitiger Hinwendung zu einem kompetitiven Prinzip. Anders gesagt beschreibt es auch die allmähliche Vernachlässigung eines tendenziellqualitativen Prinzips zugunsten eines strikt quantitativen. Denn auch völligunabhängig von der hier untersuchten ephemeren Erscheinung Quartettspiel einigt sich unsere Gesellschaft seit einigen Jahrzehnten immer mehrdarauf, dass für die qualitative Beurteilung eines Phänomens quantifiziert,also gezählt, gemessen und verglichen wird. Sei es die Volkswirtschaft eines Staates, die Lebensqualität einer Stadt, die Begabung wissenschaftlicher Forschung, die Schulbildung eines Volkes oder die Leistungsfähigkeiteines menschlichen Organismus: Überall wird versucht, Qualität in Zahlenauszudrücken. Insofern kann man das Quartettspiel auch als Indikator füreinen gesellschaftlichen Wandel interpretieren, der in seiner Gesamtheitalles andere als ephemer ist.