Ein Spiel mit CharakterAuto-Quartettspiele und männliche(Technik-)Sozialisation 1960–1980Anne-Katrin Ebert115Wer sich im Internet bei einem großen englischsprachigen Anbieter vonSupertrumpf-Spielen informiert, erhält in der Rubrik für Erwachsene undEltern den Hinweis, dass es sich bei diesen Spielen um„educational games“ handele. So fördere das Kartenspiel die Arbeits-, Kommunikationsund Selbstkompetenz der Kinder und ihre Fähigkeit, einander zuzuhören,miteinander zu sprechen, sich an Regeln zu halten und Konflikte zu lösen.Nicht zuletzt würden sie sich durch das Befassen mit den Informationenauf den Karten über das jeweilige Thema„unbewusst Wissen“ aneignen,„ohne etwas auswendig lernen oder behalten zu müssen“. Da diese Karten den Effekt des„getarnten Lernens“ böten, liebten sie deshalb nichtnur Kinder, sondern auch Eltern und Lehrer.Natürlich ist ein Anbieter von Spielen, die von Kindern bisweilen geradezuobsessiv in jeder freien Minute gespielt werden, erpicht darauf, bei Erziehungsberechtigten ein gutes Wort für diese Leidenschaft einzulegen, vonder ja schließlich das Unternehmen profitiert. Dennoch soll der Hinweisdes„getarnten Lernens“ hier nicht einfach von der Hand gewiesen werden, sondern vielmehr ernst genommen und auf die Inhalte hin überprüftwerden: Was genau lernen Kinder beim Quartettspielen?Im Folgenden soll diese Frage beispielhaft anhand von Autoquartettenaus der Zeit von zirka 1960 bis 1980 untersucht werden. In technikhistorischen Forschungen sind Autoquartette als Beispiele für die Techniksozialisation in Kindheit und Jugend angeführt worden.1Als„Aspekt desausgeprägt genderspezifischen Nervenkitzels um Schneller und Größer“– gemeint ist hier eine spezifisch männliche Begeisterung – habe dasQuartettspiel„den realen Wettbewerb auf der Straße simulierend“ vorweggenommen.2Dass es sich beim Autoquartett vor allem um ein Spielhandelte, das von Jungen und männlichen Jugendlichen gespielt wurde,gilt als unbestritten. Auch die Tatsache, dass es sich bei Automobilen umAUSSTELLUNG QUARTETTSPIELETMW 2017/18, Vitrine 6„Ordnen und Vermitteln“(Detail)