46 Die Faszination derKothgassergläser beruht auf der Leuchtkraft der Transparentfarben. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstand die Idee, transluzide farbige Gläser zu schaffen, d. h. Gläser mit durchscheinenden Farben zu bemalen. Diese Farben wurden dann im Brennofen nur we­nig eingebrannt, wodurch sie ihre eigentliche Leuchtkraft erhielten. Die Farben erscheinen wie in den Glaskörper eingeschmolzen. Die Technik des Einbrennens von Farben ist auch in der Porzellanmalerei bekannt. Kothgasser selbst hatte als Golddessinmaler Nr. 96 bei der Wiener Por­zellanmanufaktur gearbeitet. Nun entwickelte er für die Glasmalerei eine von ihm als Dunstgelb bezeichnete Färbung von Flächen, die er mittels Silbergelbätzung erzeugte. Diese Flächen sind reich mit Bordüren und anderen Golddekorationen versehen. Die Bildinhalte derKothgassergläser sind vielfältig: Neben Landschaf­ten, Stadtansichten, Blumen, Spielkarten, Jagd- und Tiermotiven finden sich auch Allegorien. Pathetisch-monumentale Bildinhalte sind bei Koth­gasser eher selten. Der hier vorgestellteGenius-Becher erhält dadurch einen besonderen Stellenwert. Kronprinz Ferdinand heiratete im Jahr 1831 Maria Anna, eine Prinzessin aus dem Hause Savoyen, das seit 1720 zum Königreich Sardinien gehörte. Vier Jahre später, nach dem Tod Franz I., bestieg das neue Herrscherpaar den habsburgischen Thron. Dasselbe Sujet wie auf dem Trinkglas die ChiffreF gleich Ferdinand im Strahlenkranz findet sich auf einer sei ­denen Glockenzug-Borte(Abb. 36), die folgende eingewebte Widmung trägt:Gott segne und beschütze unser Kaiserhaus/ FM/ Zur Erinnerung der Huldigungsfeyer am 14. Juni 1835., dazu die InitialenF(im Strahlen­kranz) fürFerdinand undM fürMaria Anna, Lorbeerkränze, Huldi­gungsfeuer und die Wappen der Kronländer Ungarn und Böhmen sowie das genealogische Wappen der Habsburger. Nach dem Tod Kaiser Franz I. von Österreich im März 1835 hatte das neue Kaiserpaar die Nachfolge angetreten, um sich nun, gut drei Monate später, von den Erbständen, das heißt von den Ständen des Erzherzogtums Österreich, huldigen zu lassen. Verkürzt gesprochen ist die Erbhuldigung der Akt, bei dem das Volk, vertreten durch seine Repräsentanten, die Landstände, seinem neuen Regenten den Eid der Treue und des Gehorsams leistet. Auch der Gablonzer Glasperlenerzeuger Ferdinand Unger widmete den neuen Regenten zwei Mustertafeln, die die ChiffrenF für Ferdinand und M für Maria Anna zeigen(Abb. 38). Alle Teile sind aus Glas gefertigt, einmal vorwiegend Knöpfe, einmal Perlenketten.