136Meer und waren meist im Gefolge berühmter Gottheiten unterwegs. Jung,schön, reizvoll, doch eher unbedeutend – ein antikes Frauenschicksal.Wedgwoods epochemachende Erfindung forderte immer wieder Nachahmer heraus. In Böhmen war es vor allem das Unternehmen des FranzJoseph Grafen von Wrtby in Teinitz(Týnec), der sich dieser Herausforderung stellte und sich an der Jasperware versuchte, wie etwa bei einemBlumentopf mit Musen-Motiv(Abb. 126). Ja, sogar die Modelle von Wedgwood hat Wrtby kopiert. Doch es half nichts. Der direkte Vergleich führtvor Augen, was bereits den Zeitgenossen nicht entgangen war, nämlich,dass weder die schöne Farbe noch die Feinheit der Figuren an die echtenWedgwoods heranreichten(vgl. Abb. 125).Bei den Musen, neun an der Zahl, handelt es sich um Töchter des Zeus.Jeder einzelnen dieser Schutzgöttinnen der schönen Künste – heute häufig nur mehr aus dem Kreuzworträtsel bekannt – ist ein künstlerischer oderwissenschaftlicher Bereich zugeordnet:• Erato(Gesang und Tanz, Liebesdichtung; Attribut: Leier)• Euterpe(Flötenspiel und Lyrik; Attribut: Doppelflöte)• Kalliope(epische Dichtung; Attribute: Schreibtafel und Griffel)• Klio(Geschichtsschreibung; Attribute: Papierrolle und Schreibgriffel)• Melpomene(Tragödie; Attribut: ernste Theatermaske und Schäferstab)• Polhymnia(Gesang; Attribut: Leier)• Terpsichore(Chordichtung und Tanz; Attribut: Leier)• Thalia, auch Thaleia, gleichzeitig eine der Grazien(Komödie; Attribut: lachende Theatermaske)• Urania(Astronomie; Attribute: Himmelskugel und Zeigestab).Ihr nahezu ständiger Begleiter war Apollon, der die Lyra(Leier) spielte. DieHeiligtümer der Musen, genannt Museion, gaben übrigens den Museen,also auch dem Technischen Museum Wien, ihren Namen.Kommen wir noch einmal zu den„Drei Grazien“ zurück. Auch StanislausGraf von Mniszek in Mähren hat dieselbe Szene verwendet, die bei Wedgwood zu finden ist. Sie ziert den Deckel einer kleinen Öllampe, ist jedochnicht zweifärbig ausgeführt, sondern nach Art einer unglasierten BiskuitKeramik(Abb. 127). Der Inventareintrag aus dem Jahr 1820 vermerkt dazu:„von gelbem Wedgwood“. So berühmt war der englische Keramikpionierinzwischen, dass sein Name zum Synonym eines Werkstoffs, hier einerganz bestimmten Art von Keramikmasse nach Art des unglasierten Biskuits, geworden war.