135 Die Vorlage, die Wedgwood sich gewählt hat, stammt aus einem der zahlreichen graphischen Werke mit Abbildungen antiker Darstellungen. Viele dieser Illustrationen hat der Keramikunternehmer zu wunderbar feinen Reliefs verarbeiten lassen. Da waren die Modelleure gefragt, die zweidimensionalen Bilder in – spiegelverkehrte – dreidimensionale Gipsformen zu bringen. Berühmte Namen in diesem Zusammenhang sind etwa John Flaxman und William Hackwood, die nicht unerheblich zu Wedgwoods Erfolg beigetragen haben. Fünf Jahre Zeit und an die 10.000 Experimente stecken in der schönsten Erfindung von Josiah Wedgwood, einem der ganz Großen in der Ge schichte der Keramik. Die Jasperware ist eine feinkörnige, porzellanartige, unglasierte, eingefärbte Keramik mit meist weißen Reliefauflagen, benannt nach den vielen Farbvarianten des Edelsteins Jaspis. Die Jaspermasse ist im Ausgangszustand weiß. Der Keramikkörper wird mittels Metalloxi den eingefärbt. Anfangs wurde der ganze Körper in der Masse gefärbt, später ging man dazu über, den Körper in die Farbe einzutauchen. Die in kleinen Gipsformen gepressten und dann aufgelegten Ornamente und Reliefs werden jedoch weiß belassen. Der anschließende Brand findet bei einer Temperatur von 1.250 Grad statt, wobei der Ton in einen glasartigen Zustand übergeht und daher eine Glasur überflüssig macht. Die Farbe des Hintergrunds hängt vom jeweiligen Metalloxid ab. Jasper gibt es in Grün, Gelb, Lila, Schwarz und vor allem in den sehr beliebten intensiven, durch Kobalt hervorgebrachten Blautönen. Ein anderes Basrelief der Zuckerdose(Abb. 125) wird in der Literatur durchweg als„The Muses watering Pegasos“ tradiert. Möglicherweise ist es in einem der umfangreichen Wedgwood-Produktionskataloge so ausgewiesen, in dem publizierten aus dem Jahr 1779 jedenfalls nicht. Falls dem so ist, dann irrt der findige Keramikpionier und Großunternehmer, sind es doch nicht die Musen, sondern die Nymphen, die hier dem berühmten geflügelten, feuerspeienden, weißen Ross ihren Dienst erweisen. Gemeinsam mit Bellaphoron hatte Pegasos etliche Abenteuer zu bestehen, und mit seinen Hufen soll er am Berg Helikon, wo die Musen beheimatet waren, eine Quelle freigelegt haben. Die Vorlage für das Motiv der Nymphen, die Pegasos tränken, findet sich als farbenfrohes Wandgemälde in einem Grabmal in Rom, in der„Tomba dei Nasonii“. Pikantes Detail am Rande: Waren die dort abgebildeten Nymphen von der Hüfte aufwärts nackt, so wurden sie von Wedgwood bzw. seinen Modelleuren leicht bekleidet. Die Nymphen, unseren Feen der Neuzeit vergleichbar, sollen Töchter des Zeus gewesen sein. Sie bewohnten Bäume, Berge, Flüsse, Quellen und das
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Ikonographie und Technik : ... oder wie die Bilder auf die Objekte
kommen / Mechthild Dubbi
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