147 Über die Jahrhunderte hinweg ist Amor immer mehr zum pummeligen, geflügelten Gesellen mutiert. Bis heute hat er nichts an Charme eingebüßt und verschießt nach wie vor seine Liebespfeile. Dies tut er etwa auf einem hellblau glasierten Milchkännchen aus Eng­land, einem Beispiel für eine Wedgwood-Nachahmung mit ganz eigenem Charakter(Abb. 137). Denn es wurden lediglich die Stilelemente übernom ­men, die weißen Reliefs auf blauem Grund, ohne jedoch den Werkstoff Jasperware zu imitieren. Der direkte Vergleich zwischen der glasierten Milchkanne und einer echten unglasierten Jasperware machen die Unter­schiede deutlich. Zwei sehr ähnliche Gemälde standen Pate für das kleine MedaillonAmor schnitzt seinen Bogen(Abb. 138), zum einen das von Parmigianino aus dem Jahr 1533 und zum anderen jenes von Peter Paul Rubens aus dem Jahr 1614. Eine Tasse, so nannte man früher das, was wir heute als Tablett bezeich­nen. Im Wort Untertasse hat sich die ursprüngliche Bedeutung noch erhal­ten. Ein Objekt aus Wien aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts trägt den Inventarvermerk:Lackirte, ovale Tasse mit Lithographie. /: Cupido:/ Grund genug, sich das Stück einmal näher anzuschauen(Abb. 139). Cupido alias Amor lenkt einen Wagen, oder eher ein Wägelchen oder einen Karren, der von zwei Schafen gezogen wird. Oder sind es Hunde? Oder Ziegen? Amor und seine Kumpanen wurden häufig im Spiel mit Ziegen dargestellt. Was er geladen hat, lässt sich nicht sagen, doch hält er den Bogen in der Hand und führt den leeren Köcher mit sich. Er schaut ein wenig hinterhältig, um nicht zu sagenfies. Lackarbeiten standen damals hoch im Kurs, zunächst aus Pappmaché, zunehmend auch aus Walzblechen. Das Tablett aus Metallblech wurde offenbar schwarz grundiert, dann bedruckt und abschließend lackiert. Neben dem Amormotiv im Zentrum zeigt der restliche Grund das be­liebte goldfarbene Wurmlinien-Dekor. Insgesamt ist es keine besonders feine kunstgewerbliche Arbeit und war wohl auch nicht für eine gehobene Käuferschicht gedacht. Wurden einst die Gegenstände von Hand bemalt, so ging man mehr und mehr dazu über, die bildlichen Darstellungen durch neue Druckverfahren in diesem Fall die Lithographie auf die Ober­fläche zu übertragen. Das bedeutete mehr oder weniger das Ende einer jahrhundertelangen kunsthandwerklichen Tradition, der Lackkunst. Warum Amor als Testimonial für Nachtlichter wirbt(Abb. 140), erschließt sich nicht ganz, lässt sich doch kein plausibler Zusammenhang herstellen,