Das flüchtige Bild der Camera obscura 9 Das Geheimnis der Fotografie, des Zeichnens mit Licht, das wie von selbst geschieht, hat die Menschen seit jeher fasziniert. Es hat etwas Magisches, die lichtdurchflutete äußere Welt in einer kleinen dunklen Kammer einzu­fangen und sie in weitgehender Naturtreue ins Bild zu bannen. Diese dunk­le Kammer(lateinisch Camera obscura ) ist nichts anderes als die Kamera, deren Geschichte lange vor Erfindung der Fotografie beginnt. In der Antike bereits kennt man das Phänomen, dass Licht, welches durch ein kleines Loch in einen dunklen Raum einfällt, an der gegenüberliegenden Wand ein auf dem Kopf stehendes, seitenverkehrtes Abbild der äußeren Umgebung erzeugt. Wie von Geisterhand entsteht dieses Lichtbild, das sofort ver­schwindet, wenn der Lichteinfall zu stark wird. In der Antike schon sehen die Gelehrten in der Camera obscura haupt­sächlich eine praktische Apparatur zur indirekten Beobachtung der Sonne, deren intensives Licht sich nicht direkt beobachten lässt. Im 4. Jh. v. Chr. kommt der griechische Gelehrte Aristoteles im Rahmen seiner Auseinan­dersetzung mit Sonnen- und Mondfinsternissen auf das Prinzip der Camera obscura zu sprechen. Der arabische Gelehrte Ibn al-Haitham(Alhazen) schreibt im 11. Jh. in einer Abhandlung über die Finsternis, wie man in ei­nem dunklen Raum durch eine kleine Öffnung eine Sonnenfinsternis beob­achten könne. Die Sonne erscheine dann auf der Wand gegenüber in Form einer Mondsichel. Ibn al-Haitham weiß zudem, dass das Bild der Sonne nur dann zu sehen ist, wenn das Loch sehr klein ist. Vergrößert man das Loch, verschwindet das Bild. Von Ibn al-Haitham stammen im Übrigen auch erste wissenschaftliche Abhandlungen über Linsen. Im Mittelalter beschäftigen sich geistliche Gelehrte wie der deutsche Dominikaner Albertus Magnus oder der englische Franziskaner Roger Bacon mit der Camera obscura . Bacon erwähnt sie 1267 in einem Buch über die Lehre vom Sehen als ein Instrument zur Beobachtung der Sonne. Desgleichen John Peckham, nachmaliger Erzbischof von Canterbury, der gut zehn Jahre nach Bacon schreibt: Wenn zur Zeit einer Sonnenfinsternis die Sonnenstrahlen durch