Aufnahme derLandschaft41Das große fotografische Panorama der Welt beschränkt sich freilich nichtauf die Stereoskopie, denn zur selben Zeit entfaltet sich auch die konventionelle Reisefotografie. Die Fotografen entdecken die vermeintlichenUrsprünge der abendländischen Kultur in Griechenland, Rom oder inbiblischen Landstrichen im Mittleren und Nahen Osten. Sie sind bestrebt,all diese klassischen Bauwerke zu fotografieren, um sie an ein großesbildungsbürgerliches Publikum zu bringen. Oftmals nehmen sie ihre Motive mehrfach und mit unterschiedlichen Kameras auf – nicht zuletzt mitStereokameras –, um sie nach ihrer Rückkehr in allen möglichen Formenvermarkten zu können. Anfangs wird nach dem Daguerreotypieverfahrengearbeitet, wobei der Unikatcharakter der Vermarktung enge Grenzensetzt. Eine wesentliche Voraussetzung des einsetzenden Aufschwungsder Landschaftsfotografie ist folglich die Entwicklung des nassen Kollodiumverfahrens, mit dem sich Landschaftsaufnahmen weitaus einfacherund schneller anfertigen lassen als bisher. Dieses Verfahren geht auf denBriten Frederic Scott Archer zurück, der Kollodium zur Herstellung vonNegativen verwendet. Auf Glas aufgetragen, bildet das flüssige Kollodiumnach Verdampfen der Lösungsmittel eine gallertartige Schicht aus. DieGlasplatte wird danach in eine Silbernitratlösung getaucht, um sie lichtempfindlich zu machen, und dann, noch in nassem Zustand, in der Kamerabelichtet und anschließend in einer angesäuerten Pyrogallollösung entwickelt. Das neue Verfahren zeichnet sich durch eine höhere Empfindlichkeitund wesentlich kürzere Belichtungszeiten aus als Daguerreotypie undTalbotypie. Dadurch wird das Fotografieren im Freien deutlich einfacher,wenngleich die Fotografen auf Reisen immer eine fahrbare Dunkelkammermit sich führen müssen. Wie die Talbotypie produziert das Kollodiumverfahren Negative, was die Herstellung vieler Positivabzüge auf gesilbertenSalzpapieren erlaubt, die häufig nachträglich koloriert werden. Man kannalso große Auflagen herstellen und einen entsprechenden Absatz erzielen. Letzten Endes löst das Kollodiumverfahren nicht nur die Daguerreotypie,sondern auch die Talbotypie ab.17REISEKAMERA, 1907