45 massenhaft vervielfältigen und dem breiten Publikum so „die ganze Welt in Bildern“ bieten zu können. Millionen Käufern würde sich dann die Gelegenheit bieten, die Welt in ihre Zimmer zu holen. Heimische Natursehenswürdigkeiten, aber auch Kunst- und Bauwerke sollen auf diese Weise „in den Besitz eines jeden Patrioten“ gelangen. Ähnlich klingt Anton Martins Prophezeiung: Die Zeit werde kommen, in der man Fotografien als echte Unterrichtsmittel verwenden werde und in der der junge Schüler seine Reisen nicht nur auf Landkarten absolvieren könne, sondern auch durch die Blätter von Fotoalben. 1861 wird die Wiener Photographische Gesellschaf t gegründet, der Fotografen, Gelehrte und Künstler angehören; ihr erster Präsident ist Anton Martin. Erklärtes Ziel der Gesellschaft ist die Vervollkommnung, Förderung und Verbreitung der Fotografie. Eine Möglichkeit, dies zu tun, erkennt man darin, Ausstellungen zu veranstalten, doch es dauert einige Jahre, bis man so weit ist. Am 17. Mai 1864 wird eine von der Photographischen Gesellschaft veranstaltete Ausstellung eröffnet, die das zeitgenössische Angebot präsentiert. Die Ausstellung versammelt neben fototechnischen Erzeugnissen auch Reisekameras sowie Reise- und Landschaftsfotografien. Der Wiener Fotoverlag Kramer zeigt unter anderem Stereoskopien aus der Produktion ausländischer Landschaftsfotografen. Von Wiener Fotografen stammen Ansichten von Wien, Prag, Graz und Umgebung. Eine Bilderserie mit dem Titel Oesterreichische Alpen, entstanden während einer Großglockner-Expedition 1863, bietet der Wiener Fotohändler Gustav Jaegermeyer. Solche fotografischen Aufnahmen sind als Erinnerungen für diejenigen gedacht, die schon in den betreffenden Gegenden gewesen sind, wie auch für diejenigen, die sich auf das Sammeln in Bilderalben beschränken müssen, weil sie selbst sich das Reisen nicht leisten können. Für den größten Teil der Bevölkerung bleiben jedoch selbst solche Fotografien unerschwinglich. Für Stadtansichten und Landschaftsaufnahmen verlangt Oscar Kramer zwischen 5 Gulden und 7 Gulden 50 Kreuzer. Stereo-Aufnahmen inländischer Motive sind um 50, ausländischer Motive um 70 Kreuzer zu haben; was den dazugehörigen Stereo-Kasten zum Betrachten der Bilder betrifft, kostet der billigste immerhin 6 Gulden. Glas-Stereos kosten 3 Gulden pro Stück und der Betrachter 50 Gulden. Hält man dem das tägliche Einkommen eines Tagelöhners entgegen, das zu dieser Zeit gerade einmal 43 Kreuzer beträgt, wird deutlich, wie kostspielig selbst die billigsten Bilder für arme Leute sind. Im Mai 1873 eröffnet in Wien die Weltausstellung, „welche das Culturleben der Gegenwart und das Gesammtgebiet der Volkswirthschaft darstellen und
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Es werde Bild! : Geschichte der Fotokamera / Wolfgang Pensold, Eva Tamara Asboth, Otmar Moritsch
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