76 Für 30 Mark wird der complete Apparat geliefert. Eingestellt braucht er nicht zu werden. Man zieht an einer Schnur und die Belichtung ist ge­macht. Was will der Dilettant mehr? Der Erfinder hats den Leuten bequem gemacht; sie bekommen eine gedruckte Gebrauchsanweisung, sogar mit Anleitung zum Copiren auf Cartons in Cabinetgrösse, auf welche in runden Goldrändern die sechs direct copirten Bildchen geklebt werden können. Da ist es denn kein Wunder, dass Maler, welche Skizzen nach dem Leben machen wollen, nach dem Instrumente greifen. Die Detektivkamera eigne sich, wie es auch bei Ludwig David heißt, für militärische und polizeiliche Zwecke, besonders aber für Maler und For­schungsreisende, um rasch flüchtige Eindrücke als Arbeitsskizzen fest­zuhalten. Mit solchen Kameras könnten sie auf ihren Reisen durch unbe­kannte Gegenden Volkstypen und Volksleben in ihrer ganzen Natürlichkeit einfangen. Im Unterschied zur gestellten Aufnahme, die oftmals falsche Empfindungen wie Schrecken, Furcht oder Staunen in den Gesichtern der Fotografierten entstehen lasse, bleibe die getarnte Aufnahme der Wahr­heit des ursprünglichen Gesichtsausdrucks treu. Für den Maler biete sich diese Art der Fotografie als bestmögliches Skizzenbuch an, das selbst vom fahrenden Wagen aus funktioniere. Zur Tarnung des Fotografen werden Kameras auch in Handtaschen eingebaut, in Taschenuhren, Zylinderhüte, Krawatten, Spazierstöcke und Feldstecher. Das Sontheimer Kamerawerk Nettel offeriert das Modell Argus, das einem kurzen Fernrohr gleicht. Nun würde man meinen, dass jemand, der aus geringer Entfernung durch ein Fernrohr beobachtet wird, ähnlich irritiert reagiert wie jemand, auf den sich eine Kamera richtet. Doch wartet die Argus mit einer besonderen Finte auf: Kaum erkennbar, sitzt das Objektiv der Kamera nämlich an der Seite des Tubus. Das heißt, der Mensch, der durch sein Fernrohr in eine bestimmte Richtung zu blicken scheint, visiert in Wirklichkeit mit seiner getarnten Kamera Szenen an, die sich im rechten Winkel davon abspielen. Mit Argus würde vollkommen unbemerktes Fotografieren möglich, sagt die Werbung. Laut dem Hersteller ist der Argus deshalb bei vielen Polizei-Präsidien und Detektiv-Büros in Gebrauch. Ungeachtet dessen, dass die verspielte Mode der Detektivkamera ihre Faszination bald wieder verliert, weitet sich das Bedürfnis nach handlichen, einfach zu bedienenden Kameras auf weite Amateurkreise aus. Mit der Klappkamera tritt ein neuer Kameratyp auf den Plan. Das Objektiv ist bei dieser Kamera aus dem Gehäuse herausklappbar und an einem Faltbalg ausziehbar. Es sind zunehmend deutsche Hersteller, die das Angebot hierzulande dominieren. Die Münchner Firma Optische Anstalt