94 Nach wie vor existiert aber auch noch ein großer Markt an stereoskopischen Ansichten aus aller Welt. Eine der bedeutendsten amerikanischen Firmen, die mit stereoskopischem Material handeln, ist Underwood& Underwood. Die Brüder Elmer und Bert Underwood, die in Ottawa, Kansas, mit dem Vertrieb von Stereobildern begonnen haben, betreiben mittlerweile Filialen in großen Städten der USA, Kanadas und Großbritanniens. Große Aufmerksamkeit zieht ihr Geschäft durch den Verkauf von Stereo-Fotoreportagen auf sich, wofür sie Fotografen rund um den Globus entsenden. Die aufgenommenen Bildserien von Städten, Ländern und Kriegen werden in Kartoneinbänden angeboten, die durch eine entsprechende Rückenprägung wie ins Regal gestellte Bücher aussehen. Diese Bildberichte umfassen jeweils fünfzig bis hundert Stereogramme, die betitelt, nummeriert und mit dem Namen der Herausgeber und oftmals auch des Fotografen versehen sind. Die von den Fotografen von Underwood& Underwood aufgenommenen Stereogramme dokumentieren bedeutende Ereignisse des Weltgeschehens wie etwa den Burenkrieg, den Russisch-Japanischen Krieg oder den Ersten Weltkrieg. Mit dem Aufkommen der Fotoillustrierten nach dem Ersten Weltkrieg beginnt das Geschäft mit Stereo-Bildern zu schwächeln und Underwood& Underwood ziehen sich alsbald daraus zurück. Im gutbürgerlichen Haus des ausgehenden 19. und des beginnenden 20. Jhs. bildet das Stereoskop eine attraktive Zerstreuungsmöglichkeit für die Familie, aber auch für Gäste. „Ein Stereoskop-Betrachtungsapparat, gefüllt mit Diapositiven nach eigenen Aufnahmen, gereicht jedem Salon zur Zierde, bereitet den Gästen einen auserlesenen Genuß und bietet zahlreiche Anregungen.“ Luxuriöse Standbetrachtungsapparate werden als dekorative Möbelstücke gebaut. Solche Revolverstereoskope bieten Platz für über 100 Stereogramme. Die Preisunterschiede widerspiegeln die Vielfalt des Angebots und die mehr oder weniger extravagante Ausstattung. Die deutsche Firma ICA bietet das Betrachtermodell Stereospekt, lieferbar auf Wunsch mit einem dazu passenden hölzernen Untertisch „aus poliertem Mahagoniholz gefertigt und sehr geschmackvoll und solid ausgeführt“. Bei diesem System wird je ein Dutzend Stereogramme in durch Scharniere miteinander verbundene Blechrahmen gesteckt. Die Serie wird dann in den Betrachter eingesetzt und kann in ihrer Gesamtheit durchgeblättert werden. Als Zubehör zum Betrachtungsschrank gibt es einen gediegenen Aufbewahrungsschrank mit Fächern. Der Betrachter kostet, je nach Bildformat, 57 oder 72 Kronen, der Untertisch 69 und der Aufbewahrungsschrank 67 Kronen 50 Heller. Für Reisende sind kleine, zusammenklappbare Faltstereoskope gedacht, wie etwa das Helioplast oder das Idealoskop. Diese Stereoskope sind
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Es werde Bild! : Geschichte der Fotokamera / Wolfgang Pensold, Eva Tamara Asboth, Otmar Moritsch
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