101 Die Militärführungen sind mit dieser Entwicklung ganz und gar nicht einverstanden. Die britische Armee untersagt ihren Soldaten, private Kameras in die Schützengräben am europäischen Kontinent mitzunehmen; die Kameras, die bereits dort sind, werden eingesammelt und zurückgeschickt. Dabei achtet man penibel darauf, dass sich keine belichteten Filme mehr in ihnen befinden. Da der Krieg aber nicht – wie ursprünglich erhofft – nach einigen Wochen zu Ende geht, wächst in den Bevölkerungen die Ungewissheit und mit ihr das Bedürfnis nach Berichterstattung. Die Menschen wollen wissen, wie es um den Kriegsverlauf steht und wie es ihren Angehörigen an den Fronten ergeht. Vor allem von der Fotografie erwartet man sich authentische Eindrücke. Die Militärs müssen ihre starre Verweigerungshaltung revidieren und für Bilder sorgen. Um zu fotografischen Aufnahmen des Soldatenlebens zu kommen, ordnet das österreichisch-ungarische Armeeoberkommando im Juni 1915 an, jeder Armee einen wehrpflichtigen Fotografen zuzuteilen. Dieser muss selbst eine Fotokamera beistellen und die gemachten Aufnahmen vor Ort entwickeln, beschriften und vierzehntäglich an das Kriegsarchiv in Wien senden, wo die Entwicklung der Bilder und ihre Zensurierung erfolgt. Die genehmigten Aufnahmen gelangen sodann an das Pressebureau des Kriegsministeriums und von dort an die Presse. Der Photoreferent im k. u. k. Kriegsarchiv, Reserve-Oberleutnant Richard von Damaschka, gibt 1916 unter dem Titel Kriegs-Photographie einen Leitfaden für Kriegsphotographen und Amateure im Felde heraus. Nach eigenem Bekunden will Damaschka damit die Kriegsfotografie auf ein höheres Niveau heben. Was die Kamera betrifft, empfiehlt er in jedem Fall einen Momentapparat zu verwenden, da der Kriegsfotograf im Feld jederzeit aufnahmebereit sein müsse und oft keine Zeit bleibe für Vorbereitungen. Wo es möglich ist, die größeren und schwereren Spiegelreflexkameras mitzunehmen, möge unbedingt dieser Kameratypus verwendet werden, der deutlich genaueres Visieren auf das Motiv erlaubt. Wegen der unvorhersehbaren Witterungsverhältnisse scheint es geboten, eine Kamera in der widerstandsfähigen Tropenausführung zu wählen. Wegen der großen Distanzen, über die sich moderne Gefechte abspielen, sollte verstärkt auf Teleobjektive zurückgegriffen werden, um„ aus gedeckten Stellungen sowohl Sturmangriffe, als auch Nahkämpfe befriedigend festzuhalten“. Dahingehend ist es ratsam, auch ein Stativ mitzuführen, welches verwacklungsfreie Aufnahmen gewährleistet. Ihrer Leichtigkeit, Unzerbrechlichkeit und einfachen Handhabung wegen würden sich Pack- und Rollfilm als Bildträger besonders eignen, doch zwinge die Aufgabe, dauerhaftes Bildmaterial herzustel-
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Es werde Bild! : Geschichte der Fotokamera / Wolfgang Pensold, Eva Tamara Asboth, Otmar Moritsch
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