32 net natürlich den Hubraum des Motors eines Rennautos,„BRT“ ist die Abkürzung für Bruttoregistertonnen, ein heute nicht mehr gebräuchliches Raummaß bei Schiffen, und wenn ein Autobus 11.710 mm misst, dann ist er etwas weniger als zwölf Meter lang. Es wurde also Quartett gespielt, und zwar nahezu überall. In der Schule während der Unterrichtspausen, an der Busstation, wo die Wartezeit auf den Schulbus überbrückt werden musste, und auch die Fahrt selbst konnte auf diese Weise„sinnvoll“ gestaltet werden.„Tolle Flitzer“,„Motor Monster“ oder„Donnerbolzen“ hießen die Spiele, und es ging schlicht um größer, schneller, stärker. Wer das Fahrzeug mit dem größeren Hubraum, der höheren Geschwindigkeitsangabe oder der größeren Zahl an Pferdestärken in der Hand hielt, stach in dieser Runde. Und wer am Schluss alle Karten sein Eigen nannte, hatte das Spiel gewonnen. Vielleicht traf man sich am Nachmittag auch noch im Schwimmbad. Dort wurde dann ein anderes, ein neues Quartettspiel erprobt. Um„Tolle Schiffe“ ging es diesmal oder um„Tolle Loks“, die so richtig viele Pferdestärken aufwiesen. Stundenlang haben sich die jungen Leute auf diese Weise die Zeit vertrieben. Das Bild, das eine solche Runde bot, ist durchaus vergleichbar mit jenem junger Leute der Gegenwart, wenn sie beieinander sitzen und sich mit ihren Smartphones beschäftigen. Der Unterschied ist, dass die Interaktion heute nicht nur im Kreis der Anwesenden stattfindet, sondern nach außen gerichtet ist. In der Mimik ist sie vielleicht weniger ausgeprägt als seinerzeit. Gestikuliert wird ganz sicher weniger. Der Vergleich von Quartettspiel und Smartphone wird hier wegen des ähnlichen Erscheinungsbildes in der Öffentlichkeit herangezogen. Es soll aber nicht der Eindruck entstehen, das Smartphone hätte das Quartettspiel nahtlos abgelöst. Schon einige Zeit bevor dieses seine selbstverständliche Präsenz in der Öffentlichkeit erlangte, hat sich jenes wieder aus den Schulpausen und Schwimmbädern zurückgezogen. Frühere Repräsentanten der digitalen Bildkultur mögen ein Grund dafür sein – Stichwort Game Boy – aber auch ganz andere gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Sogenannte Sammelkartenspiele, Trading Cards, haben für einige Jahre die Aufmerksamkeit junger Leute stark auf sich gezogen und das Quartettspiel „alt aussehen“ lassen. Autoquartette, als die klassische Art Technischer Quartettspiele, haben womöglich an Faszination eingebüßt, als der Pkw vom begehrenswerten, aber unerreichbaren Statussymbol zum mehr oder weniger selbstverständlichen Verkehrsmittel eines Hausstandes mutierte (vgl. den Beitrag von Anne Ebert). Gewiss ist, dass Quartettspiele so gut wie gänzlich aus der Öffentlichkeit verschwunden sind. Nach Auskunft von
Dokument
Quartettspiele : Sortierungen eines Zeitvertreibs ;
[Sammelband] / Anne Biber, Anne-Katrin Ebert, Franz Rendl, Christian Stadelmann, Wolfgang Stritzinger, Thomas Winkler
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