134 zumindest ansatzweise in den Rubriken der„Zukunftsautos“ und„Stilstudien“. Anders als noch beim„Auto-Quartett“, das die Fragen des„Was bin ich?“/„Was will ich sein?“ alltagsnah anhand der Automobilmarken auf der Straße verhandelte, laden die fantastischen Fahrzeuge der„Neuen Autos“ und„Tollen Autos“ nun zu einer viel realitätsferneren, geradezu träumerischen Auseinandersetzung mit der Frage des„Was will ich sein?“ und„Was will ich fahren?“ ein. Diese Realitätsferne der abgebildeten Autos dient womöglich auch der emotionalen Abgrenzung im radikal gewandelten Spiel des Übertrumpfens. Anders als beim Verlust von Karten durch das zufällige Ziehen im althergebrachten Quartettspiel, kommt es beim Übertrumpfen zum Verlust der Karte, wenn der Spieler sich taktisch ungeschickt angestellt und die falsche Kennzahl gewählt hat oder wenn das abgebildete Auto grundsätzlich sehr schwach ist. Die Distanz zu den Fahrzeugen ist mithin auch ein Schutz: Es ist nicht mehr das Fahrzeug des Onkels oder des Vaters, das ständig übertrumpft wird, sondern es sind lebensweltferne Fahrzeuge. Gleichzeitig verleitet der sportliche Wettkampf des„Größer, Schneller, Stärker“ mit den Quartettkarten zwangsläufig zu einer Bevorzugung der leistungsstarken Fahrzeuge. Das Stichquartett suggeriert die Allgemeingültigkeit des Leistungsprinzips, in der die eigenen Fähigkeiten beziehungsweise die Leistungsstärken der abgebildeten Fahrzeuge taktisch klug und entsprechend der anderen vorhandenen Leistungen eingesetzt werden müssen. Es ist ein Lernspiel für die kapitalistische Gesellschaft zu einem Zeitpunkt, als sich ge samtgesellschaftlich betrachtet bereits die ersten Risse im Glauben an den immerwährenden technischen und zivilisatorischen Fortschritt zeigten. 32 Die Anpassung der Spielmechanismen der Auto-Quartette an den sportlichen Wettkampf mit dem ständigen Vergleich und den damit einhergehenden Sieg- und Niederlage-Erfahrungen verändern zwar einerseits die sozialen Lerninhalte des Quartettspiels, indem nunmehr die Konkurrenz eine viel größere Bedeutung einnimmt. Andererseits bleiben bestimmte Elemente des Spiels gleich. Noch immer geht es um Beharrlichkeit und Taktik sowie die Fähigkeit, Niederlagen beziehungsweise den Verlust einer Karte zu verkraften. Und noch immer bilden die Abbildungen mit den Automobilen einen Anlass zum Austausch mit Mitspielern über Lieblingskarten und das Auto, das man selbst gerne besitzen oder fahren will. Nach wie vor steckt in den Auto-Quartetten ein Angebot zur Identitätssuche und Selbstfindung, zur Wahl von Lieblingsautos und zum Austausch der Spieler über Präferenzen. Die Spielergemeinschaft wurde durch das Spiel mit den technischen Kennzahlen sogar noch verstärkt: Die Daten, die nicht
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Quartettspiele : Sortierungen eines Zeitvertreibs ;
[Sammelband] / Anne Biber, Anne-Katrin Ebert, Franz Rendl, Christian Stadelmann, Wolfgang Stritzinger, Thomas Winkler
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