151 verdient. Das Bildmotiv ist keine Erfindung der Neuzeit, sondern findet sich bereits auf einer Wandmalerei im antiken Pompeji. Im Jahr 79 u. Z. unter der Aschenwolke des Vesuvs begraben, im 18. Jahrhundert wieder freigelegt, ist die Szene des bestraften Amor aus der Bildsprache nicht mehr wegzudenken. In Eisen gegossen, schwarz gefirnisst und anschlie ßend auf einem hellrosa Papierhintergrund appliziert, so begegnen uns Mutter und Sohn in zwei Medaillons aus Gusswerk bei Mariazell(Abb. 143). Man achte auf die Körperspannung des widerspenstigen kleinen Kerls, der sich nur widerstrebend an der Hand fortführen lässt. Wenn es Venus zu viel wird, nimmt sie ihm den Bogen einfach weg. Auch wenn die beiden nur Zwiesprache halten, stellt sich das Gefühl ein, dass der Kleine etwas im Schilde führt. Etwa auf einer kleinen Vase aus Nove in Norditalien(Abb. 144). Die Keramikmanufaktur des Giovanni Baroni hat hier das sogenannte„Bleu-de-roi“, eine leuchtend blaue Glasur von der renommierten Konkurrenz aus dem französischen Sèvres übernommen. Die Malerei mutet fast wie eine aquarellierte Zeichnung an. Ein kleines Medaillon, laut Inventareintrag ein„Schwefelabdruck“(Abb. 145), warf die Frage auf: Wie ist der kleine Amor unter die zahlreichen Gipsabgüsse nach antiken und auch zeitgenössischen Vorlagen geraten? Sammlungen von Abdrücken geschnittener Steine(Gemmen), sogenannte Daktyliotheken, standen im 18. und 19. Jahrhundert hoch im Kurs. Ist das Bild vertieft in den Stein geschnitten, spricht man von einem Intaglio, ist es erhaben gearbeitet, nennt man es Cameo. Es war sehr beliebt, diese geschnittenen Steine in den unterschiedlichsten Materialien abzuformen. Es entstand ein seitenverkehrter Abdruck, bei dem Intaglio und Cameo vorübergehend ihre Rollen vertauschten, dienten sie doch häufig nur als Vehikel für eine zweite Abformung in einem beliebigen Material, das die Originalansicht wieder herstellte. Unser kleiner Schwefelabdruck ist also alles andere als ein Unikat, sondern repräsentiert die Technik des„Abformens“. Ist das zu verarbeitende Material weich, so wird es zu Abdrücken, ist es flüssig, wird es zu Abgüssen ver wendet. In Gebrauch standen vorrangig Wachs, Ton, Gips, Schwefel und Formsand. Die Begriffe„Abdruck“ und„Abguss“ werden in der Literatur nicht immer sauber getrennt. Das chemische Element Schwefel gehört zu den Nichtmetallen und ist ein gelber Festkörper. Geschmolzen und in kaltes Wasser gegossen, ergibt
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Ikonographie und Technik : ... oder wie die Bilder auf die Objekte
kommen / Mechthild Dubbi
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151
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