Artis sola domina necessitas Sandra Rosenbichler 27 „Die einzige Herrin der Kunst ist die Notwendigkeit“ 1 war Otto Wagners Leitmotiv für den städtebaulichen Gesamtregulierungsplan für Wien und außerdem ein wesentliches Merkmal seiner Architektur. Seine Kunst durfte nicht zum Nachteil der Nutzer werden, deshalb stand die Funktionalität seiner Werke im Vordergrund seines Schaffens. Neben der Funktionalität waren für ihn allerdings auch die zu verwendenden Materialien gestaltungsgebend, da diese spezifische Eigenschaften aufwiesen und vor allem die ihnen zugeschriebenen Bauaufgaben erfüllen sollten. Ganz im secessionistischen Sinne, den Wagner mit seiner Architektur verkörperte, findet man zahlreiche Ornamente auf den Gebäuden, die jedoch nicht im Mittelpunkt stehen sollten. Durch die immer wiederkehrenden Fassadenelemente und die grundlegende Formensprache der von Wagner im Zuge der Planung der Wiener Stadtbahn entworfenen Gebäude, Brücken, Konsolen, Schutzgitter, Beleuchtungselemente und vieles mehr, sowie durch das in Wien allgegenwärtig scheinende Resedagrün des Anstriches für die Eisenelemente wird die Ansicht der Stadt auch heute noch maßgeblich von Wagner geprägt. Denn genau dieses Resedagrün oder„Stadtbahngrün“ ist Untersuchungsgegenstand des Bundesdenkmalamtes, das sich mit dem Schutzanstrich der Eisenteile befasst, die im Zuge der Restaurierung einiger U-Bahnstationen seit 2015 wieder instandgesetzt werden. Das damit beauftragte Expertenteam fand dabei heraus, dass die ursprüngliche Farbgebung dieser Elemente nicht grün, sondern hellbeige war, und auch die Holzteile, die heute grün gestaltet sind, ursprünglich eine natürliche braune Holzmaserung aufwiesen. Das heute bekannte Grün wurde zwischen 1950 und 1970 unter anderem als Schutzanstrich für zahlreiche Maschinen verwendet und somit kann davon ausgegangen werden, dass der Anstrich erst nach dem Zweiten Weltkrieg„unser“ Wiener Stadtbild zu prägen begonnen hat. 2
Dokument
Schienenwege in die Moderne : die Wiener Stadtbahn und Otto Wagners
Architektur / Carla Camilleri, Roman Hans Gröger, Bettina Jernej, Sandra Rosenbichler, Thomas Winkler
Seite
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