110 Der Kaiser und sein Hof kamen über die Währinger Straße und den Währinger Gürtel zum Einfahrtstor in die Stationsanlage, wo sie von dem k. k. Ministerpräsidenten, dem k. k. Eisenbahnminister und weiteren Würdenträgern empfangen wurden. Nachdem alle hochgestellten Persön­lichkeiten ihre Plätze eingenommen hatten, wurde die Stadtbahn durch den Erzbischof geweiht, worauf die Festreden des Landmarschalls von Niederösterreich sowie des Bürgermeisters von Wien folgten. Der Kaiser erwiderte: Gern bin Ich der Einladung der Commission für Verkehrsanlagen gefolgt, an der feierlichen Eröffnung der ersten vollendeten Strecken der Wiener Stadtbahn teilzunehmen. Durch das einträchtige Zusammenwirken der autonomen Curien und des Staates geschaffen, wird dieser Bahnbau wie Ich zuversichtlich hoffe manigfache Vortheile bringen und die Mir am Herzen liegende Entwicklung Wiens wirksam fördern. 2 Nach diesen Worten ersuchte der k. k. Eisenbahnminister den Kaiser die Strecke feierlich zu eröffnen und eine Besichtigungsfahrt vorzunehmen. Der Hofzug setzte sich von Michelbeuern aus in Bewegung und fuhr nach Heiligenstadt. Hier wechselte er auf die Vorortelinie bis Penzing und befuhr schließlich das fertige Teilstück der Wientallinie bis zur Meidlinger Hauptstraße. Dort wechselte er wieder auf die Gürtelstrecke, um bei der Station Alser Straße die Fahrt zu beenden. Der Kaiser und der Hof ver­ließen hier den Zug und fuhren mit einemLeibwagen ab, während die anderen Festgäste noch bis Michelbeuern weiterfuhren. Während dieser Besichtigungsfahrt waren Aufenthalte in Heiligenstadt, Penzing und in der Station Breitensee geplant. 3 Als im Jahr 1902 letztlich sämtliche Strecken der Stadtbahn dem Verkehr übergeben werden konnten, fand keine derart pompöse Feier mehr statt. Eine Besichtigungsfahrt mit dem Hofzug wurde für den Kaiser dennoch organisiert, die eine Stunde lang über die Gürtel-, Wiental- und Donaukanallinie führte. An mehreren Streckenabschnitten hielt der Zug für einen kürzeren Aufenthalt an, damit der Kaiser höchstpersönlich die Bauwerke der Bahn sowie die Veränderungen entlang der Strecke begut­achten konnte. 4 Obwohl die Stadtbahn ein durchaus imposantes Bauwerk darstellte und mit kaiserlichem Besuch eröffnet worden war, setzten sogleich Bestre­bungen ein, sie einer grundlegenden Reform zu unterziehen. Die Wiener benützten lieber die Straßenbahn, die direkt ins Zentrum der Stadt vor-