16reotypie unter Zugzwang gesetzt. Er muss sein Verfahren ebenfalls derWelt präsentieren, um zu vermeiden, den Erfinderstatus zu verlieren odergar in Verdacht zu geraten, das französische Verfahren kopiert zu haben.Tatsächlich aber unterscheidet sich die Daguerreotypie von seinem Verfahren in wesentlichen Punkten. Er belichtet die Bilder derCamera obscuranicht auf Silberplatten, sondern auf Papier, das zuvor in eine Kochsalz-Silbernitratlösung getaucht wird. Seine Aufnahmen sind zwar nicht soscharf wie die Daguerres, doch genießt sein Verfahren den Vorzug, dasses Negative erzeugt, von denen mehrere Positivabzüge gemacht werdenkönnen. Talbots Aufnahmen sind keine Unikate. Damit verweist dieTalbotypie,wie sie später zu Ehren des Erfinders genannt wird, auf ein überauszukunftsträchtiges Massenmedium, während die Daguerreotypie zwangsläufig dem Charakter eines kunstwerkhaften Einzelstücks verhaftet bleibt,geschätzt seiner Exklusivität wegen, ob als fotografisches Wandbild oderals Schmuckstück.Die Meldungen von den Verfahren von Daguerre und Talbot erregen landauf, landab das Interesse von Optikern, Druckern oder Apothekern, derenmanche sich als Daguerreotypisten oder Talbotypisten versuchen. Auchin Österreich herrscht reges Interesse. DieGrazer Zeitungvom 8. August1839 bewirbt eine Broschüre mit dem TitelGeheimniss der Daguerrotypie, oderdie Kunst: Lichtbilder durch die Camera obscura zu erzeugen.Darin heißt es:„Wer je die herrlichen naturgetreuen Farbenbilder einer camera obscura sah,die durch Schönheit und Zartheit der Umrisse das Auge so angenehm fesseln, der mußte zugleich bedauern, daß diese gleichsam wie hingezaubertenGebilde so vergänglicher Natur seyen, und es regte sich in jedem Beobachter von selbst instinktmäßig der Wunsch, diese Copien der Natur, wennauch nicht mit all’ ihrer Farbenpracht, doch wenigstens einem Kupferstichgleich auf’s Papier bannen zu können. Diese Idee beschäftigte lange vorDaguerre vielleicht Tausende, und weil es durch die Chemie bekannt war,daß es in der Natur Stoffe gebe, welche Empfindlichkeit gegen das Licht äußerten, so war man nicht verlegen, damit Versuche anzustellen, erhielt abergrößtentheils nur sehr mangelhafte Resultate. Der englische Gelehrte Talbot,der sich auf diesen Gegenstand seit dem Jahre 1834 verlegte, brachte indieser Art später wirklich einige ziemlich vollkommene Schattengemähldezu Stande. Allein nur Hrn. Daguerre war es vorbehalten, durch eine vonallen früheren Versuchen ganz abweichende Methode solche Lichtbilder inder größten Vollkommenheit und Reinheit mit allen Schatten und Lichtern inTuschmanier(aqua tinta) darzustellen.“