17 Man prophezeit, die fast vollkommene Abbildung der Daguerreotypie werde das Leben verändern: Das Daguerrotype wird der unerläßliche Gefährte des Reisenden seyn, der nicht zu zeichnen versteht, und des Künstlers, der keine Zeit zum Zeichnen hat. Es soll bei uns mit geringen Kosten die schönsten Kunstwerke, wovon wir nur kostspielige und unrichtige Copien haben, popularisiren. In Kurzem wird man, wenn man nicht selbst sein eigener Kupferstecher seyn will, sein Kind in das Museum senden, und ihm sagen: du mußt mir in drei Stunden dieses oder jenes Bild von Murillo oder Raphael zurückbringen. Man wird nach Rom schreiben: schickt mir mit der nächsten Post die St. Peterskup­pel, und die St. Peterskuppel wird mit umgehender Post ankommen. Ihr reiset nach Antwerpen, bewundert dort das Haus Rubens, und schickt eurem Architecten jenes Haus, das nach der Flamländer Meynung nicht seines Gleichen hat. Hier, sagt ihr, ist das Haus, das ich bauen will, und auf dieser treuen Zeichnung findet der Architect alle die hundert Verzierungen jener Steine wieder, die unter dem Meißel des Bildners entstanden sind. In Zukunft wird das Daguerrotype für alle Kunstbedürfnisse, alle Launen des Lebens genügen. In Paris verliert der geschäftstüchtige Daguerre keine Zeit seine Erfindung zu vermarkten. Nachdem sein Verfahren vom französischen Staat angekauft und als Geschenk an die Welt veröffentlicht wird, bezieht er dafür wie auch Isido­re Niépce eine lebenslange Rente. Darüber hinaus beginnt sein Schwager Alphonse Giroux damit, Kameras für den Verkauf serienmäßig herzustellen. Bei diesem Daguerreotype handelt es sich um eine Schiebekasten-Kamera, bestehend aus zwei Holzkästen, durch deren Zusammenschieben das Bild scharfgestellt wird, und einer Linse, angesetzt an der Vorderseite. Das Bild­format beträgt 22,5 x 16 Zentimeter. Als Beleg für die Originalität und zum Schutz vor Nachbau wird an jeder einzelnen gefertigten Kamera ein Siegel mit der Unterschrift von Daguerre angebracht. Der Verkauf der Kameras läuft erfolgreich an. Am 19. August 1839 wird die Daguerreotypie durch François Arago an der Pariser Akademie der Wissenschaften offiziell präsentiert. Unter den Zuhörern befindet sich der Wiener Physik- und Mathematikprofessor und Mitbegründer der hiesigen Akademie der Wissenschaften Andreas von Ettingshausen. Ettingshausen, der sich bester Beziehungen zu Kanzler Metter­nich erfreut, weilt auf Staatskosten in Paris, um sich über die Fortschritte der Physik in Frankreich zu erkundigen. Er erwirbt eine der neuen fotografischen Kameras und lässt sich von Daguerre persönlich in die Technik einführen, ein deutliches Lichtgemälde zu gewinnen. Noch in Paris beginnt er, Überlegungen zur Verbesserung der Linsenoptik anzustellen. Seine Absicht ist es, die noch