38 der Politik oder dem Militär zuzuordnen ist, kam in den damaligen Quartettspielen Friedrich Schiller(1759–1805) besonders häufig vor, noch vor Johann Wolfgang von Goethe(1749–1832) und Albrecht Dürer(1471–1528). 3 Schiller galt zu dieser Zeit als wichtigster Nationaldichter Deutschlands. Auch in den Dichter-Quartetten, beeinflusst von den in den USA sehr populären„Games of Authors“(vgl. den Beitrag von Franz Rendl), nahm Schiller deshalb diese herausragende Position ein. Gewöhnlich wurden dort Zitate aus Theaterstücken und Werken der Poesie präsentiert – abgesehen von William Shakespeare(1564–1616) kamen fast ausschließlich deutsche Autoren vor. Unter diesen aber wurde Schiller signifikant häufiger genannt als alle ande ren. Diese frühen Literatur-Quartette trugen den Titel„Citaten-Quartett“. Tatsächlich war das Kartenbild vom Text – dem Literaturzitat selbst – dominiert. Nicht selten kamen diese Spiele noch gänzlich ohne Illustrationen aus. Dieser Umstand hat wohl auch später die Vermutung genährt, dass sich das Quartettspiel in Deutschland aus einem Gesellschaftsspiel gutbürgerlicher Damen entwickelt hat. Diese führten demnach Zitatensammlungen auf Karteikarten und fragten diese gegenseitig ab. 4 Systematisch geordnet und schließlich mit den„Games of Authors“ zusammengeführt, sei das die Grundlage für das Quartettspiel gewesen. Egal, ob die Inhalte der deutschen Politikgeschichte oder der deutschen Literaturgeschichte verpflichtet waren, immer ging es jedenfalls um einen Kanon deutscher Bildungskultur. Dementsprechend waren diese Spiele auch sehr nobel präsentiert – in großformatigen Kassetten mit Prägedruck und einer ganzen Reihe von Fächern für die Karten, geeignet dazu, im feinen Salon nach dem Tee auf dem Tisch aufgestellt zu werden. Ordentlich sortiert, wurden solcherart die Lehrinhalte auf gesellige und spielerische Weise vermittelt. Lange, nämlich bis in die 1960er-Jahre, sollte der Anspruch, dass hier Bildungsinhalte einem edlen Buch vergleichbar präsentiert werden, nachwirken(vgl. den Beitrag von Anne Biber). Ernst Krumbein, der diese frühen Quartettspiele eingehend untersucht hat, legt allenthalben Wert darauf, dass es sich dabei um Erzeugnisse handelt, die„für die reifere Jugend und Erwachsene“ konzipiert waren. 5 Erst kurz nach der Jahrhundertwende wurden Quartettspiele explizit auch für Kinder hergestellt: Lieder-, Märchenund Benimm-Quartette. Ab 1907, so Krumbein an anderer Stelle, haben sich Quartettspiele für Kinder lawinenartig durchgesetzt. Als Grund dafür nennt er das 1902 erstmals in deutscher Sprache erschienene Buch„Das Jahrhundert des Kindes“ von Ellen Key(1849–1926), 6 in dem diese für eine sehr bewusste und zielgerichtete Kindererziehung plädierte. Das Buch war ausgesprochen erfolgreich. 1905 erschien es bereits in neunter Auflage. 7
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Quartettspiele : Sortierungen eines Zeitvertreibs ;
[Sammelband] : / Anne Biber, Anne-Katrin Ebert, Franz Rendl, Christian Stadelmann, Wolfgang Stritzinger, Thomas Winkler
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