119 Die Nachkriegszeit gilt allgemein als Beginn der Massenmotorisierung in Deutschland und Österreich. Dabei waren die 1950er-Jahre kein Neuanfang in der Motorisierung diese zeichnete sich schon seit den 1920er- und 1930er-Jahren deutlich ab. Die Nationalsozialisten hatten versucht, durch ein groß angelegtes Programm für einenVolkswagen der rassenideologisch konstruiertenarischen Volksgemeinschaft den Traum vom eigenen Automobil zu verwirklichen. 5 Juden, Sinti und Roma, politisch Andersdenkende, Homosexuelle und angeblich Asoziale waren von diesem automobilen Projekt von vornherein ausgeschlossen. Tat­sächlich sollte bis zum Ende der nationalsozialistischen Herrschaft kein einziger der großartig propagierten KdF-Wagen an private NutzerInnen ausgeliefert werden. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg rollten die VW Käfer aus dem neu angelegten Werk in Wolfsburg und fanden große Verbreitung. Die Massenautomobilisierung der 1950er- und 1960er-Jahre war mithin eine sowohl gesellschaftlich als auch politisch lang ersehnte. Bereits in den 1920er-Jahren war in Deutschland die Angst umgegangen, das Land könne in Bezug auf die Verbreitung des Automobils bis heute ein wichtiger Gradmesser für die Modernität und den Wohlstand einer Gesellschaft nicht mit Frankreich oder England mithalten. Die Politik reagierte darauf, indem sie den sogenannten Einstieg in die Motorisie­rung durch das Motorrad erleichterte. 6 Für Motorräder mit geringem Hubraum benötigten die Besitzer keinen Führerschein, und im Vergleich zum Luxusgut Automobil war das Motorrad auch steuerlich begünstigt. Noch vor Kriegsausbruch wies das Deutsche Reich mit dem annektier­ten Österreich den größten Motorradbestand auf der ganzen Welt aus. Gerade in den 1920er- und 1930er-Jahren wurde das Motorrad auch zu einem zentralen Objekt für eine neue, moderne Männlichkeit. 7 Der Umstieg auf das Automobil in den 1950er- und 1960er-Jahren war denn auch, wie im Weiteren aufzuzeigen sein wird, vornehmlich ein Unterneh­men der männlichen Bevölkerung. Gerade in Österreich verlief dieser Umstieg jedoch zunächst eher schlep ­pend. In der Nachkriegszeit wurden in Österreich lediglich Fiat-Modelle in Steyr assembliert, das Straßenbild war geprägt von Vorkriegsmodellen. Bis 1949 war der Ankauf an Bezugsscheine gebunden und die Pkw-Einfuhr nach Österreich nur mit hohen Zöllen möglich, die durchschnittlich 30 Prozent des Grenzwertes des Wagens ausmachten. Mit der Liberalisierung des Pkw-Marktes am 1. Jänner 1954 wurde der österreichische Markt mit importierten Modellen der verschiedensten Marken geradezu überflutet,