30 Versklavung und Ausrottung der ansässigen Bevölkerung. Vieles davon bleibt zwar noch unausgesprochen, doch ist man in Warschau aufs Höchs­te alarmiert. Es folgt eine Phase angespannter Routine. Jeden Tag aufs Neue müssen deutsche Funksprüche entziffert werden. Dabei können sich Rejewski und seine Kollegen nach wie vor auf erratene Spruchschlüssel stützen. Denn, nachdem den deutschen Schlüsslern die Verwendung dreier iden­tischer Buchstaben untersagt wird, weichen manche von ihnen auf an­dere markante Dreierkombinationen aus, die ähnlich leicht merkbar und dadurch auch ähnlich leicht erratbar sind. Außerdem registriert Rejewski, dass mit dem Verbot dreier gleicher Buchstaben auch Varianten mit zwei gleichen Buchstaben gemieden werden. Dies kommt ihm sehr entgegen, weil sich dadurch die Menge der möglichen Spruchschlüssel insgesamt stark reduziert. Die erratenen Spruchschlüssel erlauben weiterhin die charakteristi­schen Transformationen herzuleiten, also das Vokabular des Tages, das ausweist, in welche Chiffren die Buchstaben des Alphabets an den sechs Spruchschlüsselstellen übergehen. Dies zu wissen, ist für das tägliche Schlüsselbrechen von essentieller Bedeutung, denn es erlaubt herauszufinden, welche der Walzen rechts eingesetzt ist. Zu diesem Zweck entwickelt Rejewski ein spezielles Rasterverfahren (metoda rusztu), 4 das ihm ermöglicht, aus dem spezifischen Einfluss der rechts liegenden Walze zu bestimmen, um welche Walze es sich handelt. Er stellt zunächst für jede der Walzen einen Kartonbogen her, auf dem in tabellarischer Form verzeichnet ist, welche Chiffren sie an jeder ihrer 26 Drehstellungen allen 26 Buchstaben des Alphabets zuweist. In der ersten Zeile der Tabelle stehen die Zuweisungen, die an der ersten Drehstellung der Walze erfolgen, in der zweiten darunter die der zweiten usw. Zwischen den Zeilen der Tabelle befinden sich Leerzeilen. Analog dazu erstellt Rejewski aus den Transformationen des Tages eine Kartonmaske, worauf in sechs Zeilen für jede der sechs aufeinanderfolgenden Stellen die Chiffren verzeichnet sind, welche jedem Buchstaben des Alphabets zugewiesen werden. Die Zeilen hier sind durch ausgestanzte Leerzeilen getrennt. Zur Analyse legt Rejewski die sechszeilige Maske so auf einen der Bögen, dass die ersten sechs Zeilen des Bogens in den Leerzeilen erkennbar werden. Dann gleicht er in einem komplizierten Verfahren die Zeilen von Maske und Bogen miteinander auf Ähnlichkeiten ab. Findet sich dabei 4 Siehe im Abschnitt Kryptologie das Kapitel Rastermethode