48 Der nächste Rückschlag folgt Ende des Jahres 1938, als die Schlüssler des deutschen Heeres und der Luftwaffe zusätzlich die Walzen IV und V einsetzen(die die Kriegsmarine schon seit geraumer Zeit in Verwendung hat). Nunmehr stehen also drei aus fünf Schlüsselwalzen zur Verfügung (während die Kriegsmarine ihren Sicherheitsvorsprung durch Verwendung zweier weiterer Walzen mit den Nummern VI und VII wahrt). Da die Polen die Verdrahtung der beiden neuen Walzen IV und V nicht kennen, können jetzt nur noch jene Schlüssel gebrochen werden, deren Walzenlage sich aus den bekannten Walzen I, II und III zusammensetzt; alle Kombinationen mit einer der neuen Walzen bleiben vorerst unzugänglich. Abgesehen davon lassen die beiden neuen Walzen den Arbeitsaufwand enorm ansteigen. Fortan sind nicht mehr nur sechs, sondern 60 verschie­dene Walzenlagen zu untersuchen. Es müssen nicht mehr sechs Bombas für sechs mögliche Lagen parallel laufen, um auf Erfolge in absehbarer Zeit hoffen zu können, sondern 60 für 60 Lagen. Für Zygalskis Methode machen die beiden zusätzlichen Walzen die Herstellung von insgesamt 60 Sätzen an Lochkartons erforderlich. Es ist eine ernste Situation, doch kommt Rejewski wieder ein gravierender Fehler auf deutscher Seite zugute. Ausgerechnet derSicherheitsdienst, der Geheimdienst der SS, verwendet in fahrlässiger Weise die vierte und die fünfte Walze in Verbindung mit dem alten Verschlüsselungsverfahren des doppelten Spruchschlüssels auf Basis einer gemeinsamen Grundstel­lung. Das ermöglicht es den Polen, nach bewährter Methode die Ver­drahtung der vierten und der fünften Walze zu errechnen und damit den entstandenen Rückstand ein Stück weit aufzuholen. Theoretisch. Praktisch sind sie letztlich nicht in der Lage, die Bombas und Enigmas in adäquater Weise aufzurüsten. Es können nur einige Exemplare der neuen Walzen hergestellt werden, und es erscheint undenkbar, kurzfristig so viele Bombas zu bauen. Die Folge ist, dass die 60 Walzenlagen auf den weni­gen bestehenden Maschinen nacheinander abgearbeitet werden müssen, wodurch sich der Entschlüsselungsprozess enorm verlängert. Eine rasche Entschlüsselung, die im Ernstfall unverzichtbar ist, um umgehend militäri­sche Gegenmaßnahmen einleiten zu können, rückt in weite Ferne. Die Situation verschärft sich weiter, als mit 1. Januar 1939 vom deutschen Chiffrierdienst die Zahl der Steckerverbindungen an der Enigma auf zehn erhöht wird. Der Verwürfelungsgrad wird dadurch so hoch, dass die Bom­ba-Methode so gut wie gar nicht mehr funktioniert. Bei zehn gesteckten Kabeln, also zwanzig vertauschten Buchstaben, sind im Text kaum klare Fragmente mehr zu erkennen, die es erlauben, zu beurteilen, ob man verwürfelten Klartext oder Chiffren vor sich hat. Andererseits steht die steckerunabhängige Methode von Zygalski noch nicht zur Verfügung, weil