50 Andererseits denkt Bertrand daran, den polnischen, französischen und britischen Nachrichtendienst zusammenzuspannen und sämtliche Kenntnisse zu teilen, um gemeinsam Gegenstrategien zu entwickeln. Er entscheidet sich für diese zweite Option, die auf lange Sicht Erfolg ver­spricht. Die engere Zusammenarbeit soll zudem dazu führen, dass er von polnischer wie von britischer Seite, die er beide seit Jahren mit kostspie­ligen Enigma-Unterlagen beliefert, endlich die versprochenen konkreten Ergebnisse erhält. Im Januar 1939 findet in Paris ein Treffen zwischen polnischen, franzö ­sischen und britischen Geheimdienstleuten und Chiffrierexperten statt. Die Polen sind vertreten durch Gwido Langer, den Leiter des Biuro Szyfrów, und seinen Stellvertreter Maksymilian Ciężki, das französische Service de Renseignements durch Gustave Bertrand und den Krypto­logen Henri Braquenié, der britische Secret Intelligence Service durch AlexanderAlastair Denniston, den Leiter des britischen Chiffrierbüros Government Code and Cypher School, und seinen Chefkryptologen Dillwyn Knox. Bei den Besprechungen wird deutlich, dass die Briten an der Möglichkeit zweifeln, die Enigma rechnerisch rekonstruieren zu können. Langer und Ciężki halten sich bedeckt, geben die erzielten Er ­folge nicht preis. Seitens ihrer Vorgesetzten wurde ihnen untersagt, das Geheimnis um ihren Einbruch in die Enigma zu lüften, sofern nicht auch die anderen Ergebnisse vorzuweisen hätten. So verständigt man sich am Ende nur unverbindlich auf gemeinsame Forschungsarbeit und auf weitere Treffen, sobald es neue Entwicklungen gäbe. Die neuen Entwicklungen lassen nicht lange auf sich warten. Adolf Hitler lässt deutsche Truppen in den tschechischen Landesteil der Tschechos­lowakei einmarschieren, den er zumReichsprotektorat Böhmen und Mähren erklärt. Gleichzeitig reduziert er den slowakischen Landesteil zu einem Marionettenstaat unter seinem Diktat. Durch diese Entwicklung sieht sich Polen weitgehend vom Deutschen Reich umzingelt. Es wird voll­ends klar, wer das nächste Opfer ist, als aus Berlin territoriale Forderungen an Warschau ergehen. Ein Krieg scheint unvermeidlich. Der polnische Generalstabschef Wacław Stachiewicz ordnet daraufhin an, den westlichen Verbündeten nun doch Einblick in das Enigma-Geheimnis zu gewähren. Man vereinbart ein weiteres Treffen, im Zuge dessen am 24. Juli 1939 eine erste Unterredung im Warschauer Hotel Bristol stattfindet. Die Franzosen sind wieder vertreten durch Bertrand und Braquenié, die Briten durch Denniston und Knox sowie einen Verantwortlichen für den Funkabhördienst der Royal Navy. Die polnische Delegation wird vertreten durch Langer vom Biuro Szyfrów, Stefan Mayer vom polnischen Geheim­dienst und den Kryptologen um Rejewski.