61Auf der Empfängerseite erhält der Schlüssler nach dem ersten Entschlüsselungsdurchgang eine Reihe unleserlicher Chiffren, denen„OffizierPaula“ voransteht. Diese Phrase sagt ihm, dass er die Chiffren durcheinen Offizier weiter entschlüsseln lassen muss. Jener findet in seinerListe unter P den verwendeten Spruchschlüssel und gelangt mit dieserEinstellung zu Klartext. Über die Variante„M-Offizier“ hinaus verfügt derMarineschlüssel über eine noch höhere Geheimhaltungsstufe, genannt„M-Stab“. Und für den Fall, dass der Maschinenschlüssel ausfällt, existiert mit dem so genannten„Reservehandverfahren“ ein rein handschriftliches Schlüsselverfahren.Der Schlüssel M lässt den Schlüsslern wenig freie Wahl, gibt zahlreicheListen vor, aus denen sie auf streng geregelte Weise auszuwählen haben.Dies ermöglicht ein hochwertiges Verschlüsselungsverfahren, minimiertden menschlichen Unsicherheitsfaktor und reduziert dadurch das Risikoverräterischer Häufungen. Allerdings erfordert diese Vorgangsweise dasMitführen einer Vielzahl an geheimen Schlüsselunterlagen auf See, wasdas Risiko mit sich bringt, dass diese erbeutet werden. Aus diesem Grundwerden solche Unterlagen alsbald mit wasserlöslicher roter Tinte gedruckt,damit ihr brisanter Inhalt umgehend verschwindet, wenn sie bei feindlicherBedrohung ins Meer geworfen werden.In dieser prekären Situation haben die Briten unerwartetes Kriegsglück.In einer Februarnacht des Jahres 1940 ist ein deutsches U-Boot damit beschäftigt an der Westküste Schottlands Minen zu legen, um den Seewegfür Schiffe der Alliierten zu blockieren. Es ist ein gefährliches Unterfangen,da das seichte Gewässer im Notfall kein ausreichend tiefes Abtauchenerlaubt. Es tritt ein, was zu befürchten war. Das Boot wird vom Sonar einesbritischen Minensuchschiffs erfasst und durch Wasserbomben zum Auftauchen gezwungen. Der U-Boot-Kapitän gibt der Besatzung den Befehl, dasBoot zu versenken und über Bord zu gehen. Einige Besatzungsmitgliedertragen die Schlüsselwalzen der Enigma mit sich. Sie sollen sie ins Meerwerfen, sobald sie draußen sind. Aber einer von ihnen vergisst bei seinemÜberlebenskampf im eiskalten Wasser, dies zu tun. Als er geborgen wird,fallen den Briten drei Walzen in die Hände, darunter die unbekannten VIund VII.Angesichts dieser Beutestücke rückt das Ziel, den Schlüssel M zu knacken,ein bedeutendes Stück näher. Mit dieser Aufgabe betraut ist der 27jährige britische Mathematiker Alan Turing, der als einer von wenigen daranglaubt, dass der deutsche Marineschlüssel brechbar ist und darin geradezu eine persönliche Herausforderung erblickt. Doch bis zum Durchbruchwird noch einige Zeit vergehen.