64nung aufgebaut sind. Die Nachrichten enthalten im Allgemeinen formalkorrekte Angaben über Sender und Empfänger samt Titeln und Grußfloskeln. Dank dieser strengen Ordnung kann Turing auch bei aktuellenFunksprüchen das Vorkommen bestimmter Klartextworte mit einergewissen Wahrscheinlichkeit vermuten. Nachdem zahlreiche Stationenin der Regel kurz nach sechs Uhr morgens routinemäßig Wetterberichte senden, kann Turing etwa davon ausgehen, dass das deutsche Wort„Wetter“ in so manchem Spruch, der zu dieser Zeit aufgefangen wird,vorkommt. Hat er einen solchen Spruch in Händen, versucht er herauszufinden, hinter welchen Chiffren sich das vermutete Wort verbirgt. Dazulässt sich der Umstand nutzen, dass die Enigma keinen Buchstaben insich selbst chiffriert. Er kann also versuchen, die Position des Wortes„Wetter“ dadurch zu finden, dass er es entlang der Chiffren verschiebt,bis kein Buchstabe auf seinesgleichen zu liegen kommt. Lässt sich aufdiese Weise ein Abschnitt exakt lokalisieren, kennt er die Chiffren, dieden Klarbuchstaben zugewiesen werden. Theoretisch muss er jetzt nurnoch an jeder einzelnen der Maschinenstellungen der Enigma das Wort„Wetter“ eintippen, bis diese Chiffren erscheinen. Die Stelle, an der dasgeschieht, ist die gesuchte Schlüsselstellung.Es ist, wie gesagt, eine bloß theoretische Option, denn händisch ist siewegen der vielen Maschinenstellungen in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit kaum durchführbar; ganz zu schweigen davon, dass sich dasVorhandensein des Wortes„Wetter“ nur vermuten lässt, was sich am Endeauch als falsch erweisen kann. In diesem Fall beginnt alles von vorn. SeitAnfang 1940 plant Turing jedoch eine„Bombe“, die viel leistungsfähigerals ihr polnisches Vorgängermodell sein und die zahlreichen Möglichkeitenmit hoher Geschwindigkeit abarbeiten können soll. Anders als die polnische Bomba, die hauptsächlich nach Beziehungsmustern gesucht hat,welche dem doppelten Spruchschlüssel entspringen, soll Turings Bombein den Chiffren nach so genannten„Cribs“ suchen, also nach Worten wieeben„Wetter“, von denen man aus guten Gründen annehmen kann, dasssie in den Chiffren vorkommen.Die Herstellung einer komplexen Maschine wie der Bombe ist aber sehrkostspielig und schwer durchzusetzen, zumal es anfangs alles andere als sicher ist, dass sie die Enigma-Schlüssel irgendwann tatsächlich wird brechenkönnen. Trotzdem nimmt Turings Vision im Frühjahr 1940 Gestalt an. Eineerste Bombe, bestehend aus drei Dutzend miteinander verschalteten Enigma-Walzensätzen, geht in Betrieb. Sie wird optimistisch„Victory“ genannt.Indessen nehmen die Ereignisse auf dem Schlachtfeld einen dramatischenVerlauf. Rasch vormarschierende deutsche Panzerverbände kesseln bei