121Wort auch als Synonym für Quelle oder aufsprudelndes Wasser in Verwendung stand. Seit dem 18. Jahrhundert nahm das Kur- und Bäderweseneinen bedeutenden Aufschwung. Die Rückstände des heißen Mineralwassers auf seinem Weg an die Erdoberfläche, die Rede ist vom„Sprudelstein“, ließ sich als Werkstoff für kunstgewerbliche Gegenstände vielerleiArt und auch für Andenken hervorragend vermarkten. Mineralogischbetrachtet ist der„Sprudelstein“ ein Aragonit, chemisch gesehen einCalciumcarbonat Ca[CO3]. Der gewöhnliche Aragonit ist weiß. DerKarlsbader Sprudelstein weist jedoch einzigartige Braunschattierungenauf. Verantwortlich dafür ist ein Anteil von etwa drei Prozent diverserMineralien, der überwiegende Teil von ihnen Eisenverbindungen.Greift man nicht auf den„fertigen“ Sprudelstein zurück, der sich oft überJahrhunderte hinweg gebildet hat, so lassen sich beliebige„frische“Versteinerungen erzielen, denn das Mineralwasser hinterlässt eine Sinterschicht aus Calciumcarbonat auf jedem Gegenstand, den man dem Sprudel oder dem Sprudelwasserdampf für einige Tage oder Wochen aussetzt.Bis in unsere heutige Zeit hat sich der Brauch erhalten, etwa Brautsträußeoder Babyschuhe zur Erinnerung versintern zu lassen oder sich eine versteinerte Papierrose aus Karlsbad als Souvenir mitzunehmen.Für die kleine„Madonna della Sedia“ gilt es noch einen weiteren Aspektzu beachten. Um eine reliefartige positive Form, eine„Sinteroplastik“ zuerhalten, bedarf es einer modelartigen Negativform, die dem Mineralwasser ausgesetzt wird. Diese Model konnten etwa gravierte Glasplatten oderKeramikformen sein. Die Überlieferungen zu den Materialien der Formensind sehr vage. Wie feinteilig diese Model waren, ist in unserem Beispielaugenfällig, ist doch die„Madonna della Sedia“ nach Raffael bis inskleinste Detail getreu abgebildet. Das kleine Relief selbst wirkt wieeine Keramik.Nicht immer sind die Kopien des genialen Originals ganz gelungen oderauf den ersten Blick überhaupt als solche zu erkennen. Wie sehr Raffaelsanmutige Szene ins Biedermeier passte, in dem das Kind immer mehrin den Mittelpunkt der(bürgerlichen) Familie rückte, zeigt eine kleineTerracotta-Plakette aus Frankreich, die unter dem Titel„Porträt einer Fraumit zwei Kindern“ im Inventar geführt wurde(Abb. 113). Auch wenn diecharakteristische Stuhllehne links im Vordergrund fehlt, das Kreuz, das derKnabe rechts im Arm hält, weist ihn eindeutig als Johannes den Täufer aus.Die Tonmasse wurde in diesem Fall in eine Gipsform hineingedrückt odergepresst, danach gebrannt, jedoch nicht glasiert.