29 Hochbauten stellten dagegen einen teils massiven Eingriff in das horizon­tal wahrnehmbare Stadtbild dar. Da man die Wiener Stadtbahn zunächst ebenso für den Güterverkehr nutzte, war es wohl für so manchen Zeit­genossen ein erschreckender Gedanke, in einem relativ überschaubaren Radius statt einfacher Haltestellen komplette Bahnhöfe vorzufinden, die neben ihrer eigentlichen Funktion als Haltestellen auch Markthallen und deren Infrastruktur beinhalteten. Fast mehr als die Geländeeinschnitte der Tiefbaugleisstrecken prägten die Hochbauten das Stadtbild. Sie muss­ten miteinander durch hochgelegte überbrückende und Straßen über­spannende Konstruktionen verbunden werden. Die damals noch freien Sichtachsen wurden dabei mit Brückenkonstruktionen verbaut, die aus Materialien bestanden, denen der Nutzer noch kein wesentliches Grund­vertrauen entgegenbrachte und zu denen Vergleichswerte bei ähnlichen Bauwerken fehlten. Überdies konnten diese neuen Materialien wesentlich größere Distanzen überspannen und waren bis dahin nicht gebräuchlich weder in der Wahrnehmung der Stadt, noch als Material an sich. Nicht nur die Bauwerke sorgten für heftige Kontroversen innerhalb der Bevölkerung, auch deren Architekt, der für die Stadtbahn die künstleri­sche Leitung übernommen hatte. Otto Wagner war zwar damals schon ein anerkannter Architekt, allerdings fand seine Kunst nicht nur Bewunderung, sondern auch harsche Kritik. Da er mit neuen Baumaterialien wie Stahl und Glas arbeitete und eine klare, nüchterne Bauweise bevorzugte, wurden seine Werke oft als zu langweilig und schlicht empfunden. Vielen galt er jedoch dagegen als zu experimentierfreudig und nicht traditionell genug, um die Kaiserstadt Wien mit ihrer prunkvollen Ringstraße derart maßge­bend zu gestalten. Es war dem künstlerischen Beirath der Verkehrscommission, dem Architekten der Stadtbahn Oberbaurath Professor Otto Wagner, vor­behalten, bei dieser monumentalen Anlage ein eigenartiges Schaffen zu entfalten. Ihm gebürt das Verdienst, die Hochbauten der Stadtbahn künstlerisch-schön, praktisch-modern ausgestaltet zu haben. Kein Bahn­hof, kein Magazin, kein Viaductbogen, keine Brücke durfte vergeben werden, die nicht im Atelier Wagner künstlerisch und modern ausge­staltet worden war. Die Steinmassen und Eisenconstructionen mussten erst in für das Auge gefällige, den ästhetischen Sinn nicht beleidigende Formen gebracht werden. Wohl gieng nicht alles nach Wunsch, und gar oft hinderte das übertriebene Sparsystem der Baudirection die correcte Ausführung der angegebenen Details, aber im großen und ganzen ist der Wille des Architekten durchgeführt worden und seine Hand auch überall sichtbar. 3