117 TitelReform der Stadtbahn. Daraufhin wurden Gutachten über die Elektri­fizierung, die damalige Bezeichnung lautete Elektrisierung, und den Ausbau der Wiener Stadtbahn in Auftrag gegeben. Die Expertise, die der ehemalige Berliner Regierungsrat Gustav Kemmann 1911 vorlegte, 9 beschrieb die städtebaulichen Aufgaben einer solchen Schnellbahn derart, dass diese die Menschen von den Wohnquartieren am Stadtrand zu ihren Arbeitsstätten ins Stadtzentrum befördern sollte. Daher dachte er auch an ein viel größeres Einzugsgebiet für die Stadtbahnen, das die Orte Baden, Mödling, Purkersdorf, Neulengbach, Klosterneuburg, Tulln sowie den Semmering umschloss. Da das Umland von den Planern der Wiener Stadtbahn bis dahin in keiner Weise berücksichtigt worden war, sah Kemmann hier einen ersten Ansatz zur Verbesserung der Situation. Die elektrische Traktion wurde über die dampfbetriebene gestellt, da hiermit nicht nur Einsparungspotential vorlag, sondern auch die Möglich­keit bestand, den Fahrgästen ein bequemeres, sauberes Verkehrsmittel anzubieten. In diesem Sinne legte Kemmann über das bestehende Netz der Stadtbah­nen ein weiteres an Tunnelbahnen. Diese als Schnellbahnen bezeichneten Linien sollten die Stadtbahnen ergänzen und dank der elektrischen Trakti­onen zusätzlich an Attraktivität gewinnen. Die Beschreibung der drei Tun­nelbahnen setzte mit der Westostlinie ein. Diese lief vom Praterstern über den Stephansplatz zum Westbahnhof und von hier im offenen Einschnitt über die Schmelz bis zur Vorortelinie nach Ottakring. Die Nordsüdlinie sollte von Pötzleinsdorf über Währing zum Hauptzollamt, später bis St. Marx, führen. Außerdem war eine Gabelung am Schottentor vorgesehen, welche die Züge wechselweise zur Station Alser Straße und in späterer Folge zur Vorortelinienstation Hernals führen konnte. Ergänzend war eine Ringlinie vorgesehen, die von Favoriten über den Ring bis in die Brigitte­nau reichen sollte. Ein ähnliches Konzept legte der Berater der k. k. Kommission für Ver­kehrsanlagen in Wien Franz Musil vor, 10 das jedoch von den ursprünglich projektierten, nicht gebauten Linien der Stadtbahn ausging. Laut dem beschlossenen Gesetz sollte die innere Ringbahn erst zu einem späteren Zeitpunkt erbaut werden. Musil sah für diese Bahn keine Notwendigkeit und suchte die Lösung in einem ersten Schritt besonders in der Elektrifi­zierung der bestehenden Strecken sowie dem Neubau von mindestens zwei Tunnelstrecken. Diese beiden zusätzlichen Varianten entsprachen Kemmanns Konzept und führten von Ottakring über den Stephansplatz