79Die FliegerinnenLilly Helene Steinschneider-Wenckheim(13. 01. 1891 bis 28. 03. 1975)Die erste Pilotin Österreichs fliegt mit der TaubeOb Schwester des Ikarus, Königin oder Amazone der Lüfte: Freiheit, dasLoslösen von gesellschaftlichen Zwängen, der Traum vom motorisiertenFliegen begeisterte am Beginn des 20. Jahrhunderts nicht nur Männer.Zahlreiche Frauen brachen mit den ihnen zugedachten Rollen und strebten neben ökonomischer Unabhängigkeit auch nach persönlicher Entfaltung. Frauen aus gutbürgerlichen Familien, die sie finanziell unterstützten,drangen in männliche Lebenswelten vor. Doch das Fliegen war ein Bereich, den sie nur langsam eroberten.Mit der Erfindung des Heißluftballons durch die Gebrüder Montgolfierkonnte die Welt auch aus der Vogelperspektive betrachtet werden. 1784fuhr erstmals Élisabeth Thible mit einem„Freiballon“ namens„Le Gustave“1,ein Ereignis, dem auch Gustav III. von Schweden beiwohnte und es somit„adelte“. 1798 fand der erste selbst gesteuerte Ballonaufstieg der Französin Jeanne-Geneviève Labrosse statt, ein Jahr später erfolgte durch sieder erste Absprung aus dem Ballon mit einem Fallschirm. Ihr Beruf warder einer„Berufsluftschifferin“.2Gemeinsam mit ihrem Mann machte siezur Unterhaltung Ballonvorführungen. Ende des 19. Jahrhunderts war dasBallonfahren so sehr verbreitet, dass diese Art der Fortbewegung keineSensation mehr darstellte. In den neu gegründeten Flugvereinen befanden sich auch Frauen, jedoch immer noch in geringer Anzahl. In Frankreichkonnten Frauen erst ab 1906 Mitglieder im Aéronautique-Club de Francewerden und in den USA gab es für Männer sehr ausführlich formulierteBedingungen, wie das Unterlassen von Rauchen oder den Konsum vonberauschenden Getränken, damit sich Frauen an den Ballonclubs beteiligten.3Mit Aufkommen der motorisierten Luftfahrt blieb den Frauen biszum Ersten Weltkrieg nur ein schmales Zeitfenster sich in diesem Feld zuetablieren. Wurden sie zuerst als schmückendes Beiwerk zur Vermarktungdes Aeroplans eingesetzt, wuchs bald das Interesse, die fliegende Maschine selbst zu steuern.Bildmitte: Lilly Steinschneider, vor 1930