80 So erging es auch Lilly Steinschneider-Wenckheim. Am 13. Jänner 1891 oder 1890 hier stimmen die Quellen nicht überein in Budapest als Tochter eines jüdischen Möbel- und Bettwäschefabrikanten geboren, war für sie ein Ereignis ausschlaggebend, sich für die Luftfahrt zu begeistern. Sie beobachtete im Alter von 20 Jahren in ihrer Heimatstadt einen interna ­tionalen Flugwettbewerb. Fasziniert von den dort gezeigten Flugkünsten ließ sie der Wunsch nicht los, auch Fliegerin zu werden. In Wiener Neu ­stadt lag der erste Flughafen der österreichisch-ungarischen Monarchie und zur damaligen Zeit das Mekka der Aviatiker. Alles, was Rang und Na ­men hatte, von bekannten Flugzeugkonstrukteuren bis hin zu den Piloten, war hier vereint. 1911 verfügte der Flughafen Wiener Neustadt über einige Flugzeuge des Typs Etrich-Taube, um eine Pilotenausbildung zu ermöglichen. Bevor Lilly Steinschneider ihr Pilotenpatent erwarb, war sie Passagierin bei vielen Flugevents. Frauen waren nicht nur als optische Bereicherung beliebt, sie waren auch leichtererBallast als Männer. 1912, beim Wiener Flugmeeting auf dem Flugfeld in Aspern, war sie die Passagierin bekann­ter Piloten. Damals war es üblich, dass in vielen Disziplinen mitPassagier geflogen wurde, so etwa bei Distanz- und Höhenflügen. Joseph Sablatnig, der als erster Nachtflieger berühmt geworden war, und Lilly Steinschneider gewannen einen Distanzflugwettbewerb über 168 Kilometer, in dem sie über Niederösterreich kreisten. Auch mit Hans Vollmöller war sie zu einem Dauerflug aufgestiegen. Am 1. Oktober 1911 stellte Oberleutnant Heinrich Bier den Weltstreckenrekord über 250 Kilometer von Wiener Neustadt aus mit Lilly Steinschneider als Passagierin auf. Am 23. Jänner 1912 oder 15. August 1912 auch hier gibt es unterschiedliche Quellenangaben 4 erhielt sie ihr Pilotendiplom Nr. 4 und war damit die erste hier ausgebil ­dete und geprüfte Flugpilotin in Österreich. Ihre Ausbildung absolvierte sie in Wiener Neustadt bei Karl Illner auf einer Etrich-Taube. Die Prüfungs ­kommission bestand aus Oberst Emil Uzelac, Kommandant der Österrei­chisch-Ungarischen Luftschifferabteilung, Leutnant Knirsch und Karl Illner. Um die Lizenz für eine(n) AviatikerIn zu erhalten musste man folgende Aufgaben bewältigen:Zwei Distanzflüge, deren jeder darin besteht, ohne Berührung des Bodens eine geschlossene Rundstrecke von mindestens 5 Kilometern Länge zu durchfliegen(). 5 Der Weg zur Pilotenlizenz wurde den Frauen von männlichen Fliegern erschwert. Diese entwickelten Strategien, die vom Psychoterror bis hin zu lebensgefährlichen Sabotageakten reichten. Die Fluganwärterin Melli Beese bemerkte, dass Manipulationen an ihrem Flugzeug vor ihren Prü-