109Fall„Hündinnen“. Das bedeutet, dass sie ständig beobachtet werden undsich deshalb anzupassen versuchen, sich ruhig und zurückhaltend verhaltenund ihr Licht unter den Scheffel stellen. Schließlich gibt es immer noch diesen Spruch, den sich alle Pilotinnen anhören müssen:„Wenn Gott gewollthätte, dass Frauen fliegen, hätte er den Himmel rosa gemacht.“Gibt es(Geschlechter-)Theorien, die Sie geprägt haben?Ich halte es mit Simone de Beauvoir und der etwas radikaleren Judith Butlerund mit deren Verständnis von Geschlecht als erlernt und erworben. Derenglische Begriff„sex“ wird als angeborenes Geschlecht der äußerenGeschlechtsmerkmale definiert und„gender“ als das sozial und kulturell erworbene. Schon die Tatsache, dass sich äußere Geschlechtsmerkmale nichtimmer eindeutig den beiden definierten Kategorien Mann und Frau zuordnen lassen, sollte uns aufhorchen lassen und sensibler machen für Fragendes Geschlechts. Es sollte längst nicht mehr daran gezweifelt werden, dasswir in frühester Kindheit durch Vorbilder und Imitationslernen geprägt werden. Das ist per se nichts Schlechtes, zumal es auch bedeutet, dass wir daszu Erlernende nicht nur steuern, sondern auch in jede beliebige Richtunglenken können. Eben auch in Richtung absoluter Geschlechtergerechtigkeit!Wie beurteilen Sie den aktuellen Stand in der Genderfrage in Ihrem Bereich?Ich freue mich, dass die Genderfrage immer mehr ins Bewusstsein derMenschen rückt. Selbst, dass sie hin und wieder als„Reizthema“ wahrgenommen wird, ist gut, denn es zeigt, dass sie die Menschen beschäftigt.Von politischer Seite bestehen einerseits rechtlich geschaffene Grundlagen zur Vermeidung von Diskriminierungen und Ungerechtigkeiten(nichtnur) auf Grund des Geschlechts. Das BMVIT und die Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützen viele Initiativen und Projekte, die aufGeschlechtergerechtigkeit abzielen, wie beispielsweise die FEMtech-Projekte, zu denen stets die Expertise von Gender-Expertinnen herangezogenwird.„Gender“ wird also als das wahrgenommen, was es ist – als sozial erworbenes Geschlecht, das Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten schafft,die es ob dieses Wissens abzubauen gilt. Andererseits gibt es aber auchpolitische Tendenzen, die unter dem Deckmäntelchen„Tradition, Werteund Sicherheit“ alttraditionelle Familienbilder favorisieren. Sie bedienenUrängste des Menschen auf Kosten anderer Kulturen und Frauen.Für mich ist die Auseinandersetzung mit sozial konstruierten Gesellschaftssystemen, in denen Gruppen, wie eben Frauen, benachteiligt werden,täglich Brot, und ich schätze mich glücklich, dass meine Arbeit ernst genommen wird und einer Retraditionalisierung erfolgreich trotzt.