108 len Gründen habe ich mich für eineErsatzausbildung kürzerer Dauer entschieden und sie abgebrochen. Es war eben die zweite Wahl! Für die erste Wahl war ich zu wenig mutig und habe den Wunsch nie verwirklicht. Das empfinde ich als persönliches Versagen. Ich denke nach wie vor, dass der Arztberuf mein Traumjob gewesen wäre und bin traurig, dass ich zu feige und faul war, ihn zu ergreifen. Heute weiß ich, dass ich es geschafft hätte, weil ich inzwischen andere Herausforderungen gemeistert habe, die mich dies lehrten. Das Gefühl, niemals mehr selbst schuld daran sein zu wollen, etwas verpasst zu haben, treibt mich voran und motiviert mich, Dinge anzugehen, die ich mir wirklich wünsche. Beobachten Sie Veränderungen in Ihrer Ausbildung bzw. Funktion bezüg­lich Geschlechtergerechtigkeit, sowohl als Pilotin als auch in Ihrer Tätigkeit? Ja, ich beobachte Veränderungen. Es ist heute selbstverständlicher, dass junge Frauen Berufe ergreifen, die für Frauen ungewöhnlich sind. Es gibt viele Initiativen von öffentlicher Seite, die darauf abzielen, den Frauenan­teil in frauenuntypischen ebenso wie den Männeranteil in männerunty­pischen Berufen zu erhöhen. Das ist toll und davon konnte ich in meiner Jugend nur träumen. Zumindest auf dem Papier besteht ja schon seit dem Staatsgrundgesetz von 1867 das Recht auf freie Berufswahl fürjeder­mann(sic!). Seit der Familienrechtsreform 1975(!) ist der Mann nicht mehrdas Haupt der Familie und frau kann ohne sein Einverständnis einer Berufstätigkeit nachgehen. Ja, Frauen mussten lange geduldig sein, es war ein langer Weg zur Geschlechtergerechtigkeit auf dem Papier. In meiner Tätigkeit im Rahmen des Gender-Instituts und der Ombudsstelle für Grazer Frauen und Mädchen sehe ich allerdings noch große Lücken und Hürden in der Akzeptanz wie auch in der tatsächlichen Umsetzung. Gibt es Geschichten, Vorkommnisse dazu? Eine zeitlich nicht allzu weit hergeholte Geschichte: In meiner Gymnasial­zeit Ende der 1970er-Jahre lief eine Kampagne, im Zuge derer ein Komitee des Österreichischen Heeres die Schule besuchte, um den Schülern eine Heereslaufbahn schmackhaft zu machen. Ich habe mich sofort für den Beruf der Offizierin interessiert und dies auch deutlich gemacht. Mir wurde mitge ­teilt, dass Frauen nicht zum Heeresdienst zugelassen seien. Heute frage ich mich, warum wir Mädchen uns den ganzen Vortrag dann überhaupt anhören mussten. Eine zeitlich weniger weit hergeholte Geschichte: Bei Austrian Airlines waren Frauen erst ab 2001 zum Auswahlverfahren für die Ausbildung zur Berufspilotin zugelassen! Eine aktuelle Geschichte: Ich erlebe Pilotinnen, die sichPilot nennen, weil sie, da sie in ihrem Beruf sehr unterrepräsen­tiert sind, auffallen wie die sprichwörtlichenbunten Hunde bzw. in diesem