27Spruchschlüssels erraten lassen – etwa die gehäuft vorkommende Kombination A-A-A –, so kann man daraus ableiten, dass es ein A ist, das ander ersten Stelle zu einem F und an der vierten zu einem W wird. Aus derinversen Konstruktion der Enigma folgt weiters, dass, wenn ein Klarbuchstabe A an der ersten Stelle zur Chiffre F wird, auch ein KlarbuchstabeF an der ersten Stelle zur Chiffre A werden muss. Das heißt, Rejewskikann nun bei allen aufgefangenen Funksprüchen, deren erste Chiffre desSpruchschlüssels ein A ist, den Klarbuchstaben F dahinter identifizieren.Dasselbe gilt für die Beziehung zwischen A und W an der vierten Stelle.Aus den zweiten und fünften sowie den dritten und sechsten Chiffrenanderer Funksprüche lassen sich in analoger Weise Beziehungen ableiten.Am Ende reichen 60 bis 80 aufgefangene Funksprüche eines Tages, umalle Chiffren herzuleiten, die die Enigma an diesem Tag jedem Buchstabendes Alphabets an jeder der sechs Stellen zuweist. Diese„charakteristischenTransformationen des Tages“, wie Rejewski sie nennt, repräsentieren eineArt Vokabular, das es erlaubt, die Chiffren aktueller Spruchschlüssel in ihreKlarbuchstaben zu übersetzen.2Diese vergleichsweise einfache Methode beruht zu einem guten Teil aufder Fahrlässigkeit deutscher Schlüssler, die auf simple Spruchschlüsselwie A-A-A zurückgreifen. Darin spiegelt sich eine Schwachstelle, die dermenschliche Faktor ins Spiel bringt. Dem Schlüssler alleine die Schuld zugeben, greift aber zu kurz. Denn, ermöglicht wird Rejewskis Methode nichtzuletzt durch die allgemeine Verfahrensweise, dass alle Funker dieselbenSchlüsseleinstellungen benutzen müssen, also dieselbe Walzenlage, dieselben Steckerverbindungen sowie dieselbe Grundstellung. Das bedeutet,dass die Chiffren ihrer Spruchschlüssel miteinander vergleichbar sind undzueinander in Beziehung gesetzt werden können. Das erst ermöglicht esRejewski, in die Enigma einzubrechen, wenn auch zunächst nur in die sechsStellen des Spruchschlüssels. Die eigentlichen Nachrichten kann er nochnicht entziffern, dazu fehlt ihm die Maschine – sprich: die Verdrahtung derWalzen. Dahingehend erhält er jedoch unerwartete Unterstützung.Ein in der Chiffrierabteilung der Reichswehr in Berlin beschäftigter Deutscher namens Schmidt liefert zu dieser Zeit gegen Bezahlung strenggeheime Dokumente an den französischen Geheimdienst. Er händigtGustave Bertrand, einem Angehörigen des französischen„Service deRenseignement“, unter anderem eine Gebrauchsanleitung und eineSchlüsselanleitung für die Enigma aus. Bertrand persönlich bringt das2Siehe im Abschnitt Kryptologie das Kapitel Charakteristische Transformationen undZyklen des Tages