57Funkern mittlerweile fix als erste Gruppe vor die Chiffren des Spruchschlüs sels gesetzt. Durch Sortieren der Kenngruppen des jeweiligen Tages kannWelchman alsbald mehrere Schlüsselkreise identifizieren, die er durch Unterstreichen mit unterschiedlichen Buntstiften kennzeichnet. Die Farben, dieer verwendet – rot, blau, grün –, werden diesen Schlüsseln in Bletchley Parkkünftig ihre Namen geben:„Red“,„Blue“,„Green“.Darüber hinaus bieten sich die Rufzeichen als Untersuchungsobjekte an.Jede deutsche Funkstation verfügt über ein derartiges, aus drei Buchstaben bestehendes Rufzeichen, das sie mitsendet, um sich zu identifizieren.In analoger Weise wird der Empfänger des Spruchs in Form eines Buchstabenkürzels ausgewiesen. Über diese Kürzel versuchen die britischen Spezialisten die deutschen Funkstationen zu enttarnen. Werden mehrere von ihnen als zusammengehörig erkannt, hat man es möglicherweise mit einemgrößeren Truppenverband zu tun, dessen aktivste Funkstation in der Regeldas Hauptquartier darstellt. Ausgehend von solchen Indizien könnenSchlussfolgerungen gezogen werden: Ein Ansteigen des Funkverkehrsinsgesamt verweist auf erhöhte Aktivität des Verbands, durch Funkpeilunglassen sich gegebenenfalls Bewegungen nachvollziehen. Erschwerendwirkt, dass auf deutscher Seite die Rufzeichen täglich gewechselt werden,doch wiederholt sich die Zuweisung der Rufzeichen regelmäßig. Nach längerer Beobachtung dieser Kennungen ist es einfach, den Wiederholungscharakter zu durchschauen. Welchman analysiert auch die Frequenzen, aufdenen Sprüche aufgefangen worden sind, sowie die Zeitpunkte, zu denendies geschehen ist. Schließlich kann ein fixer Sendezeitpunkt eine Funkstation verraten, auch wenn sie täglich ein neues Rufzeichen benutzt; ähnlicheRückschlüsse ergeben sich aus der Nutzung von bestimmten Frequenzen.In weiterer Folge etablieren sich in Hut Six mehrere Arbeitsräume, in denen sämtliche Schritte von der Registrierung der aufgefangenen Funksprüche bis zu ihrer Entzifferung erledigt werden. Für die Entschlüsselunggreift man auf die Möglichkeiten zurück, die der doppelte Spruchschlüsselbietet und derer sich schon die Polen bedient haben: Einserzyklen, beidenen die ersten und vierten Stellen des Spruchschlüssels dieselbe Chiffreaufweisen, die zweiten und fünften oder die dritten und sechsten. InBletchley Park nennt man diese besonderen Buchstabenpaare in Anspielung auf das weibliche Chromosomenpaar XX„Females“.Zunächst gilt es, genügend Funksprüche eines Tages aufzufangen, umausreichend viele Females zu bekommen. Darüber hinaus braucht manLochkartons, wie sie Henryk Zygalski vor nicht allzu langer Zeit in Polenentwickelt hat. Sie entstehen unter der Obhut des 23jährigen John Jeffreysund firmieren deshalb als„Jeffreys Sheets“. Im Dezember 1939 sind dienötigen 60 Sätze zu je 26 Bögen fertig. Sobald genügend aufgefangene