58Funksprüche eines Schlüsselkreises vorliegen, werden die entsprechenden Bögen in der obligatorischen Weise übereinandergelegt. Liefern sieein Ergebnis, wird dieses sofort im Maschinenraum an den so genannten„Type-X“-Schlüsselmaschinen getestet. Bei diesen Maschinen handelt essich um große Schreibmaschinen mit eingebautem Walzenwerk, das dieEnigma zu imitieren erlaubt. Die zumeist weiblichen Bediensteten, die andiesen Maschinen sitzen, wissen freilich nichts über die Bedeutung derSprüche, die sie tippen. Eingeweiht sind lediglich die Kryptologen, denenes im Januar 1940 erstmals gelingt, einzelne deutsche Funksprüche zuentschlüsseln und zu entziffern, wenn auch keine aktuellen.Erweist sich das ausgetestete Ergebnis als falsch, geht die Prozedurmit den Lochkartons weiter, bis ein Ergebnis den gesuchten Schlüsseloffenbart. Das Entschlüsseln dauert aber noch viel zu lang, als dass dieErkenntnisse für eine unmittelbare militärische Reaktion nutzbar wären,ganz abgesehen davon, dass sich die entzifferten Nachrichten inhaltlichoft als wenig ergiebig erweisen. Ungeachtet dessen vollzieht sich diesesRitual fortan Tag für Tag, rund um die Uhr. Wenn die deutschen Funkerum Mitternacht die Schlüssel wechseln, ist Hut Six gefordert, sie aufsNeue zu brechen.Deutsche Marinefunksprüche werden von den„Y-Stations“ in Flowerdownund Scarborough aufgefangen und gelangen ebenfalls per Motorrad oderFernschreiber nach Bletchley Park, und zwar in Hut Eight. Die an ihrercharakteristischen Form erkennbaren Sprüche – die Chiffren sind in Vierergruppen angeordnet – lassen sich aber noch nicht entschlüsseln. Schulddaran ist unter anderem die von der deutschen Kriegsmarine verwendeteEnigma. Sie arbeitet mit acht verschiedenen Schlüsselwalzen, nachdemknapp vor Kriegsausbruch die Walze mit der Nummer VIII hinzugekommen ist. Damit steigt die Anzahl an möglichen Walzenlagen von 210(beidrei aus sieben Walzen) auf 336(bei drei aus acht). Das bedeutet einenenormen Mehraufwand für Bletchley Park, ganz abgesehen davon, dassman die Verdrahtung der Walzen VI, VII und VIII noch gar nicht kennt. ImUnterschied zu den Walzen I bis V verfügen die Walzen VI bis VIII zudemüber je zwei Übertragskerben, sodass sie, in die Enigma eingesetzt, diejeweils benachbarte Walze nicht nur einmal pro Umlauf um einen Schrittmitdrehen, sondern zwei Mal.Außerdem bedient sich die deutsche Kriegsmarine einer deutlich komplizierteren Verfahrensweise beim Verschlüsseln: Walzenlage und Ringstellungen, genannt„innere Einstellungen“, werden jeden zweiten Tag durcheinen Offizier geändert, die„äußeren Einstellungen“ – die Grundstellungder Walzen und die Steckerverbindungen – täglich durch den Schlüssler.