114Schlüsselverfahren zuständigen kryptologischen Personals in den Chiffrierstellen im Hinterland. Es ist bezeichnend, dass es in Deutschland am Endedes Krieges keine vergleichbaren Ausbildungsmöglichkeiten gibt, wie siedie Westalliierten eingerichtet haben. Das deutsche Chiffrierwesen hatsich in den Kriegsjahren zwar erweitert, nicht aber substanziell verbessert,ganz im Gegensatz zu den Institutionen von Briten und Amerikanern, dieenorme Fortschritte erzielt haben. Mit ein Grund mag sein, dass sie zivilenExperten verantwortliche Positionen in ihrem Militärapparat zugestandenhaben. Was die wenigen versierten Kryptologen in Deutschland betrifft,so sind diese militärischen Behörden nachgeordnet und in viele Entscheidungsprozesse bezüglich der Beschaffung des Geräts nicht eingebunden.Manch einer mag die Schwächen der Enigma längst erkannt, aber nichtdie Möglichkeit gehabt haben, sich Gehör zu verschaffen, vielleicht auchnicht den Mut. In einem diktatorischen Herrschaftssystem, in dem Kritik als„Defätismus“ gebrandmarkt und als Hochverrat geahndet wird, verwundert es nicht, wenn sich Verantwortliche aus Angst vor Konsequenzenscheuen, Fehler und Unzulänglichkeiten in ihren Zuständigkeitsbereicheneinzugestehen.Was das Problem vollends unlösbar macht, ist der Umstand, dass es umgrundlegende Unzulänglichkeiten der Enigma geht, die mitten im Kriegkaum zu beseitigen sind: Die rechte Walze bewegt sich regelmäßig unddadurch in berechenbarer Weise. Die mittlere und vor allem die linkeWalze bewegen sich hingegen viel zu wenig, um maßgeblichen Einflussauf die Verschlüsselung zu nehmen. Die Periode scheint insgesamt zukurz. Die Umkehrwalze erweist sich in ihrer fixen Verdrahtung als zu starrund angreifbar. Dies gilt im Grunde für die Verdrahtungen aller Walzen,die jahrelang unverändert in Verwendung bleiben. Diese Kritikpunktestellen die Enigma an sich in Frage. Angesichts solcher Erkenntnisse gibtes in den Jahren 1943 und 1944 Überlegungen bezüglich ihrer Ersetzung– zumindest für den Nachrichtenverkehr der höheren Kommanden. Dortsoll eine sicherere Verschlüsselungsmaschine namens„Schlüsselgerät 39“eingeführt werden, ein Abkömmling der Enigma, dessen Schlüsselwalzendurch separate Antriebswalzen Drehschritte in irregulärer Weise absolvieren. Diese Planungen verlaufen jedoch im Sand – wohl nicht zuletzt wegendes enorm hohen Aufwands eines solchen Austauschs.1944 konstituiert sich ein„interministerieller Sonderausschuß zur Überprüfung der Sicherheit der eigenen Geheimschriften“, beschickt vonallen Stellen und Ministerien, die Chiffrierverfahren verwenden. Erformuliert Antworten auf die Frage, ob die Enigma den an sie gestelltenAnforderungen noch genüge. Dabei kommen unterschiedliche Einschätzungen für die verschiedenen Modelle zum Ausdruck. Das Modell ohne