116 prozess fortgeführt werden darf. Damit der Spruch beim Empfänger dann auch vollständig entziffert werden kann, ist der Buchstabe, auf den die Walze dabei gedreht wird, in den Chiffren des Spruchs mitzufunken, und zwar genau an der Stelle, an der der Wechsel stattfindet. Auf diese Weise kann der Empfänger auch die folgenden Chiffren entziffern. Heer und Luftwaffe erhalten zudem Anleitungen zur Bildung von„Notschlüsseln“ für die Enigma. Aus den Buchstaben ausgegebener Schlüssel- und Kennwörter bzw. ihren Positionen im Alphabet werden ähnlich wie beim Stichwortverfahren die Schlüsseleinstellungen errechnet. Um Verrat vorzubeugen, dürfen dieserart Notschlüssel dem Schlüssler nur mündlich gegeben werden, die Wörter sind auswendig zu lernen und nicht aufzuschreiben. Angesichts der allgemeinen Lage muss sich auch die um Schlüsselsicherheit besonders besorgte Kriegsmarine mit vergleichsweise leicht realisierbaren Maßnahmen bescheiden. Es werden weitere U-Boot-Schlüssel auf den M4-Standard umgestellt und einzelne U-Boote erhalten individuelle „Sonderschlüssel“. Außerdem wird das Kurzsignalverfahren, das für dringende Funksprüche an die Führungsstellen an Land, zur Übermittlung der Feindlage sowie zur Koordination gemeinsamer Operationen mit anderen U-Booten und Kriegsschiffen oder der Übernahme von Nachschub von Versorgungsschiffen dient, komplizierter. Das Kurzsignalheft aus dem Jahr 1944 besteht aus zwei Teilen. Heft I enthält das„Satzbuch“, welches zahlreiche geläufige Phrasen aus dem Bereich des Seekrieges auflistet und ihnen vierstellige Zahlen zuweist. Die entsprechenden vierstelligen Zahlen werden dann mit der aktuellen Schlüsselzahl addiert, welche der „Schlüsselzahlentafel“, ebenfalls in Heft I, zu entnehmen ist. Im Heft II, dem„Buchgruppenheft“, werden den vierstelligen Zahlen vierstellige Buchstabengruppen zugewiesen. Diese werden samt dem Kürzel zur Identifizierung des sendenden Bootes mit dem aktuellen Tagesschlüssel und unter Verwendung des Spruchschlüssels aus dem zugehörigen Kenngruppenheft chiffriert. Gefunkt wird vorneweg die Kenngruppe in Klarbuchstaben, die – zur Sicherheit am Spruchende wiederholt – den Empfänger zum richtigen Spruchschlüssel, der ihr im Kenngruppenhaft fix zugewiesen ist, führt. Damit kann er entziffern, rückrechnen und rücktauschen, bis am Ende wieder die Phrasen vorliegen. Für die Übermittlung von Kurzsignalen – auch Wetterkurzsignalen – wird ein System namens„Kurier“ getestet. Dabei wird die händisch bediente Morsetaste durch einen Pulsgenerator ersetzt, der die Morsezeichen in Form schneller elektrischer Impulse abgibt, sodass der gesamte Funkspruch kaum eine halbe Sekunde lang dauert. Das maschinelle Übermittlungsverfahren soll ein Einpeilen durch die Gegenseite völlig unmöglich machen, kommt jedoch nicht mehr zum Einsatz. Es sind wohl vorrangig
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Geheimsache Enigma : Geschichte und Kryptologie der legendären
Verschlüsselungsmaschine / Wolfgang Pensold, Otmar Moritsch
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116
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