64UngarnDie ungarische Reichshälfte umfasste im Südwesten Kroatien mit demadriatischen Freihafen Fiume sowie im Norden und Osten große Teile desinneren Karpatenbogens. Oberungarn(heute Slowakei) und Siebenbürgen(jetzt ein Teil Rumäniens) bildeten wichtige Bergbauregionen, dort wurdenu.a. Edelmetalle und Kupfer gefördert. In Oberungarn waren Kremnitz,Schemnitz und Neusohl bekannte Bergstädte; weiter östlich lagen Nagybanya, Felsöbanya und Brad. Um 1770 wurden ferner Eisenwerke inDiósgyör bei Miskolc und in Reschitz im Banater Bergland errichtet.Das Gebiet des heutigen Ungarn und vor allem die Tiefebene war agrarischgeprägt. Bis zur Mitte des 19. Jhs. dienten dort große Flächen als Überschwemmungsgebiete für die Flüsse Donau und Theiß. Stehende Binnenwässer, Moore und Flugsand waren weit verbreitet. In diesen Regionenüberwog die extensive Schafhaltung. Die Großgrundbesitzer züchteten veredelte Merinoschafe. Um 1840 besaßen allein die Fürsten Esterházy 270.000Schafe. Diese Familie stellte neben anderen adeligen Geschlechtern wie denSzechenyi, Pálffy, Csáky und Károly die bedeutenden Magnaten des Landes.Bis um 1900 wurden die Flüsse der Tiefebene reguliert und die Bödendurch Entwässerung sowie andere Maßnahmen verbessert. Allein der Laufder Theiß wurde durch viele Durchstiche um fast 500 Kilometer verkürzt,der Ackerboden um rund ein Viertel vermehrt. In der Folge etabliertesich Ungarn als Kornkammer Österreichs, die agrarischen Erzeugnissegingen großteils an Verbraucher in der westlichen Reichshälfte. Nachdem„Ausgleich“ von 1867 wurde der Raum Budapest zum Zentrum derMühlenindustrie, und der Getreidehandel verlagerte sich hierher. Der ungarische Weizen wies eine hohe Qualität auf, auch Mais wurde angebaut.Der Verbrauch an Kunstdünger zur weiteren Steigerung der Erträge warallerdings sehr gering. Ungarn war ferner der größte Tabakerzeuger derHabsburgermonarchie. Im Vergleich zu anderen Regionen blieb dagegen die Textilindustrie weit zurück. Dafür erlangte die elektrotechnischeIndustrie erhebliche Bedeutung, etwa die renommierte Firma von Abraham Ganz in Budapest. Die ungarische Hauptstadt erlebte in dieser Zeiteine rasante Entwicklung. 1873 wurden die Städte Buda, Óbuda und Pestzusammengelegt. Zwischen 1850 und 1910 stieg die Zahl der Bewohnervon 156.000 auf 880.000 an.Lit.: Berzeviczy 1917