28Forschen, sammeln und vermittelnWarenkunde als akademische DisziplinIn der Frühen Neuzeit entstand für international agierende Kaufleute zu nehmend die Notwendigkeit, systematisches und gesichertes Wissen überWaren sowie über Gepflogenheiten im Handel zu erlangen. Dazu erschienen seit dem 17. Jahrhundert Publikationen in Frankreich und England,später auch in den deutschen Staaten. Die Warenkunde als akademischesFach geht auf Johann Beckmann(1739–1811) zurück, einen Lehrer an derrenommierten Universität in Göttingen. Diese Stadt lag im KurfürstentumHannover, das damals in Personalunion mit der Handelsgroßmacht England regiert wurde.In den Jahren 1793 bis 1800 veröffentlichte Beckmann eine zweibändige„Vorbereitung zur Waarenkunde“. In der Vorrede erklärte er, dass bislanglediglich die Arzneimittel eine ausführliche Darstellung erhalten hätten. Diekonsequente Erforschung von Rohstoffen, Halbfabrikaten und Produktenermöglichte nach Beckmann zunächst den Ersatz ausländischer Güter durcheinheimische, was die Handelsbilanz verbesserte. Er regte ferner die Schaffung von Qualitätskriterien und von Waren-Güteklassen an, um Ähnlichkeiten und Unterschiede besser bestimmen zu können. Damit sollten auchVerfälschungen leichter erkannt werden. Beckmann forderte außerdem diesystematische Benennung von Herkunftsregionen und Handelsplätzen, dieErstellung von Import- und Exportstatistiken, Angaben zu Warengrößen undPreisen sowie nicht zuletzt Informationen darüber, wofür Waren gebrauchtwurden. Bislang, so Beckmann, existierten Details dieser Art nur in Ansätzenund waren außerdem über viele Publikationen verstreut. Er beschrieb inseiner Darstellung 42 Waren und Warengruppen in einer Reihenfolge nachseinem Gutdünken. Den Anfang machte ein umfangreicher Artikel über dieBaumwolle, welche in diesen Jahren allmählich heimische Textilrohstoffe wieSchafwolle und Flachs zu ersetzen begann.Als Pionier der Warenkunde in der Habsburgermonarchie gilt Stefanvon Keeß(1774–1840), der erste Kommissär der niederösterreichischenFabriksinspektion. Seit etwa 1810 legte er eine Warenkundesammlungan. Ein Jahrzehnt später umfasste diese rund 9000 Rohstoffmuster undFabrikate. Sie diente als Grundlage für Keeß‘ mehrbändige„Darstellungdes Fabrikswesens im österreichischen Kaiserstaate“, die in den Jahren1819 bis 1824 erschien. Der erste Band war den Rohstoffen gewidmet, diein den gewerblichen und industriellen Betrieben des Landes verarbeitet