76 Imitat Die Ein- und Wertschätzung vieler Waren wird durch den Schein ihrer Oberfläche beeinflusst. Bei Imitationen wurden oft edle bzw. auffällige Muster nachgeahmt. So sind bereits aus dem 17. Jh. Rezepte für die Imitation von Marmor, Elfenbein, Schildpatt und schön gemasertem Holz überliefert. Gern wurden auch Pelze mittels Färbung oder durch andere Manipulationen imitiert. Dabei ersetzten etwa Kaninchen, Katzen und Murmeltiere die wertvollen Zobel-, Nerz- und Hermelinfelle. Auffällige Zeichnungen wie die Haut von Schlangen oder Eidechsen fanden eben ­falls Nachahmung. Ein wahres Chamäleon für die optische Nachahmung der Oberflächen etwa von Elfenbein und Schildpatt war das Zelluloid(Zellhorn). Die Mi ­schung aus Nitrozellulose, Kampfer und Alkohol wurde geknetet, gewalzt und zu Blöcken gepresst. Diese wurden dann zu Folien, Platten und Stä ­ben geformt und anschließend ihrer weiteren Verwendung zugeführt. Zu den ersten Anwendungen für halbsynthetische und synthetische Kunst ­stoffe zählte die Nachahmung von Bernstein und Gagat. Bernstein diente z.B. als Material für Zigarren- und Zigarettenspitzen sowie für Pfeifen ­mundstücke. Aus kleinen Stücken des Harzes wurde durch starkes Pressen bei 200 bis 250° C das sogenannte Ambroid(Pressbernstein) erzeugt. Weitere Bernstein-Imitationen entstanden aus Bakelit. Der Gagat, auch alsschwarzer Bernstein, Witwenstein oder Jet(t) bezeichnet, ist eine von Bitumen durchtränkte fossile Braunkohle. Er erhielt seine Bezeichnung an ­geblich nach einem Fundort, der Stadt Gagas im alten Lykien(Türkei). Eine weiterer Lagerstätte ist Whitby im englischen Yorkshire. In den Ostalpen kommt Gagat in Gams bei Hieflau und im Reichraminger Hintergebirge vor. Er fand Verwendung für Hals- und Armketten, Knöpfe, Broschen, Nadeln, Ohrgehänge und Rosenkränze. Als Ersatz galten schwarzer Hart ­gummi(Ebonit) und schwarzes Glas; sie unterschieden sich aber im Glanz, im spezifischen Gewicht sowie in der Wärmeleitung. Eine Mischung zwischen Imitat, Surrogat und Verfälschung bildeten die vielen Spielarten von Kunstleder. Zu seiner Herstellung fanden Abfälle und Pulver aus Leder, aber auch Flachs, Hanf, Jute und Kork Verwendung. Sie wurden mit preiswerten Bindemitteln verklebt. Dazu dienten etwa Kaut ­schukrückstände, Leim oder Fette. Lit.: Weitensfelder 2013b