80 Abfall Im Verlauf der Industrialisierung vermehrte sich die Menge der prozes ­sierten Stoffe und der daraus hergestellten Waren um ein Vielfaches. Die bei der Produktion zurückbleibenden Abfälle verursachten zum einen erhebliche Umweltprobleme. Zum anderen regten sie zu Versuchen an, die anfallenden Substanzen weiter zu verarbeiten. Frühe Ansätze dazu wies die Erzeugung von Chemikalien auf. So ließ sich Nicolas Leblanc in Frankreich 1791 ein Verfahren zur Herstellung von Soda patentieren. Dabei fielen erhebliche Mengen säurehaltiger Gase an, die über Jahrzehnte die Luft bei den Erzeugungsstätten verpesteten. 1863 zwang ein Gesetz die englischen Fabrikanten dazu, diese Gase zu kondensieren. Die dadurch gewonnene Salzsäure bildete in der Folge ein wichtiges Absatzprodukt der Branche. Auch viele organische Abfälle erfuhren lange Zeit lediglich eine extensive Nutzung. Im Lauf des 19. Jhs. wurden aber beispielsweise die traditionel ­len Abdeckereien, die Tierkadaver beseitigten, allmählich in modernere Anstalten umgewandelt. Dabei fielen Fette für die Erzeugung von Seifen und für technische Zwecke an, aus anderen Abfällen wurde Leim bereitet. Zu Mehl zerkleinerte Tierkörper gelangten als Futter für Schweine und Geflügel zur Verwertung. Die hier und in Schlachthöfen anfallenden Kno ­chen wurden teilweise verkohlt und dann in Zuckerfabriken zur Entfernung von Farb- und Geruchsstoffen eingesetzt. Knochenmehl wurde außerdem wegen seines Gehalts an Phosphorsäure als Düngemittel benutzt. Alte Kleidungsstücke aus Pflanzenfasern fanden vielfach als Rohstoff für die Papiererzeugung Verwendung. Abfälle und Lumpen aus Schafwolle waren aber dafür nicht geeignet. Daher wurden seit den 1860er Jahren Abfallwoll- und Mischgewebe zerrissen, chemisch behandelt und erneut verarbeitet. Zu den ersten großen Erzeugern dieserKunstwolle zählte die Firma Ignaz Ortmanns Nachfolger in Pernitz(Niederösterreich), die seit 1885 im Besitz der Brüder Max, Ludwig und Julius Bunzl stand. Seit der Wende zum 20. Jahrhundert fanden ferner durch die Fortschritte der Naturwissenschaft zuvor unbeachtete Abfälle aus radioaktiven Substanzen Verwendung. Dazu zählte die Pechblende im böhmischen Uranbergwerk Joachimstal. Nachdem u.a. Marie und Pierre Curie ihren Radiumgehalt erkannt hatten, galt sie als eines der wertvollsten Bergbauprodukte. Lit.: Schilder 1909, Weitensfelder 2013b