128 Spiritus und Presshefe Im 17. Jh. nahm der Konsum von Branntwein allmählich zu. Der darin reichlich enthaltene Alkohol(Ethanol) wurde auch als Spiritus bezeichnet. In den 1830er Jahren entstand eine internationale Bewegung mit dem Ziel, den Alkoholkonsum einzuschränken. Angesichts dieser Entwicklung wurden vermehrt technische Verwertungsmöglichkeiten für den Spiritus gesucht. In der Habsburgermonarchie fanden zu seiner Herstellung überwiegend Kartoffeln, Getreide und Melasse aus der Zuckerproduktion Verwendung. Um 1900 wurde Spiritus für den Antrieb von Motoren, kleinen Lokomotiven und Booten, für Koch- und Beleuchtungszwecke sowie als Lösungsmittel in der chemischen Industrie empfohlen. 1904 fand in Wien eine internationale Ausstellung über Gärungsgewerbe statt, auf der viele Apparaturen zur Verwendung von Spiritus präsentiert wurden. Mit dem Wandel in der Spirituserzeugung veränderte sich auch die Hefe­produktion. Um 1780 hatten niederländische Bierbrauer eine Hefe auf den Markt gebracht, die sich als Treibmittel zum Brotbacken eignete. Wegen ihres hohen Wassergehalts wurde sie gepresst und daher als Presshefe bezeichnet. Bier wurde damals mit unterschiedlichen Verfahren erzeugt. In den kalten Monaten stand das bessereuntergärige Bier zur Verfügung, in der wärmeren Jahreszeit mussten sich die Konsumenten mitobergärigem begnügen. Die Wiener Bäcker verwendeten die aus Letzterem erzeugte Hefe für ihre Produkte. Das änderte sich, als Adolf Ignaz Mautner 1840 eine Brauerei in Wien-St. Marx pachtete. Mit Hilfe raffinierter Kühlsysteme gelang es ihm, ganzjährig untergäriges Bier herzustellen. Dessen Hefe eignete sich aber kaum zur Herstellung von Weizengebäck. Daraufhin setzte die Wiener Bäckerinnung einen Preis auf ein Gärmittel mit hoher Treibkraft aus. Diesen konnte Mautner 1850 für sich beanspruchen. In der Folge etablierte er die ­sen Prozess, der alsWiener Verfahren zur Hefeerzeugung internationale Beachtung fand. So gründeten Max und Gustav Springer aus Wien in Mai­sons-Alfort bei Paris eine große Presshefefabrik. Sowohl bei der Erzeugung von Spiritus wie auch von Presshefe spielte die Gärung eine zentrale Rolle. Auf dem Höhepunkt der Gärung wurde die Presshefe von der Maische abgeschöpft, erst anschließend erfolgte die Destillation von Spiritus. Viele Fabriken vereinten beide Prozesse. Lit.: Etablissements 1876, Wilfert 1890, Erhard 1904, Wender 1904, Jalowetz 1909, Feitler 1915