90war mit Literaturlesungen, wissenschaftlichen Vorträgen, Pressekonferenzen, Diskussionsveranstaltungen und politischen Reden ähnlich wie die derTonaufnahmen – mit einem großen Unterschied: Das visuelle Element, deroptische Aspekt und vor allem das bewegte Bild kamen als entscheidendeErweiterung und Bereicherung in der Aufnahme hinzu. So konnten Inhaltefestgehalten werden, die das Tonband nicht festzuhalten vermag: Mimikvon Menschen, sich verändernder Alltag wie Mode, Kleidung, Wohnungseinrichtungen, Stadtbild und Infrastruktur. Tätigkeiten werden sichtbarbei Quellenmaterial über aussterbende Berufe wie Kohlenhändler undSchuhmacher. Spezialisierter Einzelwarenhandel, der zunehmend aus denStadtbildern verschwindet, wurde dokumentiert, wie z. B. jahrzehntealteKnopfgeschäfte, Parfümerien oder Drogerien.Anfangs wurde aus finanziellen Gründen auf VHS und S-VHS(Super-VHSmit besserer Bildauflösung als VHS), dann, mit der technischen Entwicklung Schritt haltend, auf Betacam SP, schließlich auf Digibeta und zuletztmit digitalen Geräten – born digital – aufgenommen.Legendär wie die 1989 aufgenommene Fahrt des in Wien bis 1990 nochin Betrieb gewesenen Stockautobusses der Linie 13A ist die im Jahr 1990aus fixer Position im hinteren Wagen mitgefilmte damalige Route derStraßenbahnlinie D vom Südbahnhof nach Nußdorf und retour. Vor demEinsteigen in die Straßenbahn wurde der fast 20 Jahre später ab 2009 abgerissene Südbahnhof – an dessen Stelle in den darauffolgenden Jahrenein neuerrichtetes Bahnhofsviertel mit einem modernen Hauptbahnhof alsDurchgangsbahnhof entstand – von außen und innen in der Halle gefilmt.Beeindruckend ist das sich im Laufe der Jahrzehnte rasch wandelndeStraßenbild – die damals an manchen Stationen noch vorhandenen Wartehäuschen aus Holz, die alten Telefonzellen aus grün und gelb lackiertem Eisen sowie der Wandel des öffentlichen Verkehrs –, die ratterndenGeräusche, die der Fahrkartenentwerter im Inneren der Straßenbahn vonsich gibt, jedes Mal, wenn die Uhrzeit und der Stationsbereich für denStempel springt und sich neu justiert, die damals von einer männlichenStimme gesprochenen Stationsansagen, der murrende Ton der Falttürenbeim Öffnen und Schließen, dazwischen die Tritte der aus- und einsteigenden Menschen auf den hohen Stufen des Waggons. Die Dokumentationder Fahrt mit der Straßenbahn zeigt das Wien von vor 30 Jahren: Die vorSchmutz dunklen Gebäudefassaden, auch bei manch repräsentativenHäusern wie dem Naturhistorischen Museum, dem Haus der Industrie amSchwarzenbergplatz, der Staatsoper oder dem Burgtheater. Zurück am