68 die unverfälschte Unmittelbarkeit dertausendfach von den Kombattan­ten selbst betriebenen Fotografie zu suggerieren: Denn die Linse, von wie künstlerischem Auge sie auch gestellt sein mag, dichtet nichts hinzu und nimmt nichts fort: in ihren Films ist die nackte Wahrheit der Landschaft und der Menschen. Unzählige solcher kleiner Momentaufnahmen, fertig ausgeführt oder erst zu entwickeln, sind von der Front ins Hinterland zurückgewandert, Grüße aus der Wirklichkeit an die unerfahrene Gedankenvorstellung. 21 Die zum Großteil technisch nicht ausgefeilten, dadurch ungekünstelt oder ungestellt wirkenden Aufnahmen haben insbesondere bei Geländefotos den quasi-dokumentarischen Charakter einer Fotoreportage. Weniger offenkundig wird so der propagandistische Wert der Fotos als illustrative Beispiele für das Pflichtbewusstsein und Durchhaltevermögen von Sol ­daten und Zivilisten im mühevollen Feldpostalltag zwischen Front und Heimat. Der Bilderzyklus ist nicht der einzige seiner Art, der im Postarchiv erhalten blieb, aber der umfangreichste. Nach Kriegsende hatte man für derlei Hinterlassenschaften derGroßen Zeit staatlicherseits keine Verwendung mehr. Die Bebilderung des patrio­tischen Einsatzes für eine Monarchie, deren Weg in den Untergang Leid und Elend über Millionen Menschen gebracht hatte, bot für die Öffentlich­keit wohl kaum mehr positives Identifikationspotential. Wann aus welcher Behördenstelle, über welche mehr oder minder verschlungenen Wege die Feldpostfotos ins Postmuseum kamen, liegt im Dunkeln wie im übrigen auch die meisten Fotografien für die nächsten Jahrzehnte im Dunkeln ei ­nes Kanzleischranks verwahrt blieben. Noch Ende der 1930er Jahre waren, trotz des Aufblühens monarchistischer Nostalgie im Ständestaat, insge ­samt nur elf der rund 290 Lichtbilder ausgestellt. 22 Alles will Feldpostkarten, jeder will schreiben Das immer wieder variierte Hauptmotiv der oben erwähnten Fotoserie ist ein durchgängiges Motiv auch der übrigen Feldpostfotografien: Frau ­en und Männer bei der Arbeit, ganze Berge von Paketen, Briefen und Postkarten zu sichten, prüfen, sortieren, verpacken, transportieren und zu verteilen. Tatsächlich hatten Tausende Zivilisten, Postbeamte und Soldaten Tag für Tag, Nacht für Nacht bis dahin unvorstellbare Mengen an Postgut zu bewältigen. 1915 wurden in der Feldpostsortierstelle in Wientäglich