Christian Stadelmann Patriotismus in der Kinderstube 87 Heinrich Hoffmanns Struwwelpeter war längst ein Kinderbuchklassiker, als er 1915, 70 Jahre nach seiner erstmaligen Veröffentlichung, in einer neu illustrierten und getexteten Version erschien. Das Prinzip der pädagogischen Belehrung und die Szenenabfolge wurden beibehalten. Das Thema aber waren Deutschlands nationale Feindbilder, und die Ausgabe hieß Der Kriegs-Struwwelpeter. Vertreter der Entente, stereotyp und militärisch adjustiert, treten an die Stelle der unfolgsamen Kinder. Sie sind ebenfalls unartig, faul und niederträchtig, werden aber nicht deshalb bestraft, weil sie nicht folg- und sittsam sind, sondern vor allem, weil sie Deutschland und ÖsterreichUngarn Übles wollen. Der Struwwelpeter selbst wird zum serbischen „Bombenpeter“,„John Guck-in-die-Luft“ ist ein britischer Marineoffizier und„Zappel-Beppo“ ein Italiener, der„hetzt und schürt/ und intrigiert“ und dafür sein Strafgericht erfährt, nämlich„Züchtigung für Heuchelei/ Und gebrochne Bundestreu‘.“ Damit reagierte die neue StruwwelpeterAusgabe sehr unmittelbar auf die damals aktuelle politische Situation, hatte doch erst im Mai 1915 Italien das Bündnis mit Deutschland und der Habsburgermonarchie aufgekündigt und Letzterer den Krieg erklärt. Autor und Illustrator des Kriegs-Struwwelpeter war Karl Ewald Olszewski (1884-1965), ein damals bekannter Maler. In Czernowitz geboren, hatte er an der Wiener Akademie der bildenden Künste studiert. Seit 1904 lebte er in München. Bis heute bekannt geblieben ist Olszewskis Werk gerade wegen seiner politischen Implikationen. Ein von ihm gemaltes Bild hing im Salon von Adolf Hitlers Jacht, mit dem Kriegs-Struwwelpeter hat er deftige nationalistische Polemik und Pädagogik betrieben. Unmissverständlich und nachhaltig sollte den Kindern auf ihren weiteren Lebensweg das Urteilsvermögen mitgegeben werden, zwischen den Guten und Bösen zu unterscheiden. Es mag naheliegend erscheinen, ein allseits bekanntes und 1 „N„iFkroalnazums“awnne“rd, „eMn visotenr„GWreilyh“elumn“dins Tintenfass gesteckt
Dokument
Unter dem Losungsworte Krieg und Technik : das Technische Museum
Wien und der Erste Weltkrieg ; [Sammelband] / Caroline Haas, Mirko Herzog, Christian Klösch, Helmut Lackner, Otmar Moritsch, Wolfgang Pensold, Franz Rendl, Christian Stadelmann, Hubert Weitensfelder
Seite
87
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