106 Ablenken, unterhalten, Absatz machen Die Musikinstrumentenhersteller erhöhten zum Teil nach Kriegsbeginn ihre Produktionszahlen und konnten sich über enorm steigende Umsätze freuen. Die 1867 gegründete Harmonikafabrik Andreas Koch zählte nach der ebenfalls in der württembergischen Kleinstadt Trossingen angesiedel­ten Matthias Hohner AG zu den größten Harmonikaproduzenten weltweit. Die Mundharmonikas und ab 1903 auch Handzuginstrumente wurden durch bauliche Innovationen laufend verbessert, kreativ gestaltet, intensiv beworben und international vertrieben. Die Mundharmonika ist ein denkbar unkompliziertes Instrument: Keine besondere Pflege, kein zeitintensives Stimmen sind notwendig, sie ist teils maschinell herstellbar, preiswert und relativ leicht autodidaktisch erlernbar. Diese Qualitäten und die Handlichkeit und Robustheit machte die Mund­harmonika, auchHosentaschenklavier oder österreichischFotzhobel genannt, zum idealtypischen Soldateninstrument. Die Produzenten reagierten mit ihren Klang- und Bauvarianten 1914 schnell auf die patriotische und kriegsverherrlichende Welle und erzeug­ten allerhand Sondermodelle mit je nach Herkunftsnation Namen wie La Marseillaise,Uncle Sam,Le Drapeau Belge oderHoch Habs­burg. 8 Private Geschenkaktionen wurden organisiert, um die Soldaten an der Front und in den Lazaretten mit Musikinstrumenten zu versorgen. Wegen ihrer Handlichkeit waren Mundharmonikas im Zuge solcher Ge­schenkaktionen besonders beliebt. Die Designs der Harmonikas nahmen kuriose Formen an: Der Schallbecher derGranaten-Harmonika von Hohner hatte die Form einer Munitionshülse, andere Modelle bildeten Schlachtschiffe, U-Boote oder Stahlpanzer nach. Für den österreichischen Markt bot Hohner etwa die ModelleDonauwacht und dieSchlacht am Isonzo an. Selbstverständlich waren die Hoheits­zeichen der jeweiligen Kaiser auf vielen Harmonikas abgebildet. Christian Weiss, ebenfalls in Trossingen niedergelassen, warb mit dem Slogan: Wenn der Feinde Kugeln summen,/ unsre 42er brummen,/ spielen wir in aller Ruh/ Weiss Harmonika dazu Der Einsatz des Feldharmoniums bezeugt die Wichtigkeit der Religion und der Weiterführung religiöser Praktiken im Krieg. Das Aufrechterhalten von rituellen Aktivitäten wie das gemeinsame Feiern einer Messe oder das gemeinsame Beten waren wichtige Aktivitäten zur moralischen und psychi-