59ein geradezu unvorstellbarer Arbeitsfanatismus(…)“, so charakterisiert dieSchriftstellerin Ève Curie ihre Mutter in der von ihr verfassten Biografie. DasAlexandrowitsch-Stipendium, das ihre Freundin und Studienkollegin MariaDydnyska für sie einreichte, verschaffte ihr 600 Rubel, also fünfzehn Monate„unbeschwertes“ Studieren. Marie Sklodowska hätte es nie zu beantragengewagt. Trotzdem waren ihre Lebensumstände – wie auch die vieler andererStudentInnen in dieser Zeit – hart: Die Mahlzeiten waren karg, die Unterkunft spartanisch und oft fehlte das Geld zum Heizen. Über ihren Studienvergaß sie oft das Essen, was mitunter auch zu Schwächeanfällen führte. IhreSchwester Bronia, selbst Ärztin und mit einem Arzt verheiratet, kümmertesich sehr um sie. Der familiäre Zusammenhalt nicht nur in Paris, sondernauch in Form intensiver Briefwechsel mit ihrem Vater und den Geschwisterngaben ihr den nötigen sozialen Rückhalt. Bedingt durch ihre Strebsamkeitverzichtete sie großteils auf Zerstreuung außer Haus.1894 lernte Marie Sklodowska Pierre Curie kennen.„Das Gespräch, dassich zwischen uns entspann, wurde sehr bald freundschaftlich, als Gegenstand hatte es gewisse wissenschaftliche Fragen, über die ich seineAnsichten erbat.“4Pierre fand großen Gefallen an Marie und so warb erbeharrlich um sie. Ein gutes Jahr darauf willigte sie in die Heirat ein. DerGrundstein für ein ideales und wissenschaftlich geniales ForscherInnenTeam war damit gelegt. Pierre Curie verdiente als Lehrer an der Schulefür Physik 500 Franc, Marie bereitete sich auf das Staatsexamen vor, umin Frankreich unterrichten zu dürfen. Gleichzeitig hatte sie die Möglichkeit, das Laboratorium an der Schule ihres Mannes für ihre Experimentezu nutzen. Um sich ganz der Forschung zu widmen, wurde der Haushaltauf das Nötigste reduziert, die Einrichtung nach den Grundbedürfnissenausgerichtet. Am 12. September 1897 kam ihre Tochter Irène auf die Welt.Marie Curies„Berufe“ wuchsen somit auf vier an:„Geliebte, Mutter, Hausfrau und Gelehrte“5– und alle verfolgte sie mit gleicher Intensität. Da sieeine enge Beziehung zu ihrem Vater hatte, sah sie es, ganz untypisch fürdiese Zeit, als durchaus denkbar an, die Kindererziehung einem Mann zuüberlassen. So betreute Pierres verwitweter Vater Eugène zunächst Irèneund später auch die zweite Tochter Ève. Nach dem Tod des Großvatersübernahmen Gouvernanten diese Funktion.Wissenschaftlich arbeitete sie zu Beginn ihrer Laufbahn über die„Magnetische Eigenschaft einzelner Stahlsorten“, die dann in den Berichten der„Gesellschaft zur Förderung der nationalen Industrie“6veröffentlicht wurden. Die nächste wissenschaftliche Herausforderung war ihre Doktorarbeit.Um als Frau in den männlich dominierten Naturwissenschaften ernst ge-